Archive for the ‘Hadamar’ Category

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 112

Montag, Juni 11th, 2007

Ach das Schweigen ist mir nah

in ganz fremden Texten

denn ich hatte keine Sprache nicht

wie soll ich auch nennen

wofür ich heut noch keine Wort

Sprache war mir stets verdächtig

in den Fibeln fuhren sie Roller

in denselben Bildern fast

wo sie eben Fähnchen noch

mit Runen hielten

meine Kinder fingen an modern sogar

mit SS

auf und ab nie paßt ein

Tüpfelchen dann oben drauf

 

 

welche Sprache sprichst du zeigt

welche Welt du bist, welche

Haut ist dir geworden, was

an Atem pocht darin oder

ist glasiert nur Tand

große Reden schwingen

auf die Schulter kloppen ist ganz leicht

die die nicht verrieten hatten eine

Sprache die die nicht verstanden

denen sie ganz nah doch war

 

 

Wahrheit liegt in einer Schale

die oft nicht zu knacken ist

über’s Pflaster rollen Wallnüß

noch in ihren grünen Schoten

färbt ganz gelb die Finger

und die zarten weiche weiße Nüß

zieh erst ab die Haut die bitter

wie Kastanien waren sie versteckt

irgendwann da platzen alle Schoten

alles kommt hervor was da

eingeigelt sich zuviel

Worte das sind grüne Stacheln

Igel listig kleine Äuglein

brennend ganz am Feuer eines Raben

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 111

Sonntag, Juni 10th, 2007

Unnergaß das war Kultur
Delle Marie wusch die Haare
heiße Brötchen durch die enge Gaß
Quetschekuchen, Weihnachtsplätzchen
alles dampfte auf dem Blech
 

Klickerspielen im Gewäckelten
zwischen groben Pflastersteinen
Gras und Erde, Riesentäler
 

und im Kranenturm
wie eine fremde Welt
wurd gefeiert und gezecht
 

vor den Kellern hielten Bütten
ganz voll Trauben warten sie
ehe da gekeltert griff man zu
 

ebenso da hackte man
mit spitzen Steinen oder rost’gen Nägeln
Kratzer sich und Stücke
hinweg von den Stangen ganz aus Eis
die mit Pferden angefahren kamen
 

Wolken sah man schmal den Himmel
Sonne fiel nicht ganz in die enge Gaß
die gewölbt sich buckelt hoch
eh sie zu den Toren jeweils hinfällt flach
 

kam einer dahergeschritten
hörte man das auf dem Pflaster gut
Kinder kreischtem, Alte feilschten
alle tratschten, Neuigkeiten waren stets schon alt
Ehepaare schrien, keiften, stritten sich
 

und dazwischen ganz geschäftig noch
das Scheppern, Klappern und das Hämmern
Sägen, Flaschenklirren
 

hörte singen auch dann noch ein Lied
eine alte Frauenstimme sang’s
irgendwas von der Madonna,  die sich
soll erbarm über all die Menschen hier
in den engen Gassen, wo die
Schiffer und die alte SPD noch war
 

ach was war dagegen
die Oberstraße flau und matt
geschäftig immer nur ein müdes Treiben
glatt und ohne anzuhalten
jeder aufgesetzt ne feine Miene
für Touristen die nur hier
keiner sah zum Fenster raus
unrasiert mit wilden Haaren und zersaust
 

nur erschrak man in der Unnergaß
stets hielt ich den Atem an
wenn zum Schlachten wurden getrieben
die Schweine in ein enges Seitengäßchen rein
und sie rochen dann den Tod
und sie quieckten, quiekten
jämmerlich ganz schrill und laut
all die feinen Schnitzel
 

und der Metzger
auch bald weg
heiße Fleischwurst dann
geschweißt in Plastik
 

und der Geruch von Fisch
bei Reuters Anna
Schellfisch mit der
Soße ganz aus Senf
 

und die alte Kilsbach
Obst, Gemüse, frische Erdbeer’n
schreibt mit Kreide
nicht mehr auf die Tafel
Rechnung und die Preise
 

und der Milchladen an der Eck
schöner noch als Rüdesheim je war
in die Becher goß sich Milch
schoppenweise aus den Kannen
und dem großen Eimer auch
 

gläsern in der Kanne
wurde Bier noch auch geholt
 

Wasser in den Eimern
aus den alten Brunnen noch
wenn die Leitung war versiegt
 

Hochwasser fand hier
zuerst dann statt
 

in den Toren, Türmen
stand es hoch
 

denn der Rhein er weiß
welche Gaß er liebt
 

nie wird sein
auch nicht bei allem Erbe
mag es dann auch noch soviel umfassen
Denkmal, Städte, Täler, Berge
daß da Unnergaß und Obergaß
je da werden eine Welt

 

 

Kunst bewegt zur Toleanz – Heine 109

Sonntag, Juni 10th, 2007

In das Haus des Dionysos zieh ich ein

auf einer Insel klippenumrundet

griechisches Feuer flammt am Stein

Efeu überzieht nackte Wände

Wind fegt durch die offene Tür

wilde Bienen hausen im alten Gemäuer

Eidechsen huschen durch Dornen davor

ein Fenster ist auf, durch das

der Mond schenkt seinen bleichen Schein

da bin ich allein mit dir

schwarze Schwester der Dohlen

und wir trinken den Wein

aus schmerzgebrannten Bechern

aus der Unterwelt kommt ein Kassiber herauf

Orpheus grüßt uns, er hat es geschafft

Eurydike hat ihn angesehen

und geflochten sein Haar in die Nacht der Toten

 

Blitze zucken auf

aus den Bechern heraus

fließt der Wein

 

unsere Augen verschwimmen

ineinander ganz

 

Sterne funkeln darin

durchbrechen die Körper, die Schatten

 

eine Sonne gebärt sich

 

über den Fels rollen verwunschene Steine

zischen die grünen Schlangen hinweg

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 108

Sonntag, Juni 10th, 2007

Hatte glühend Bilder 

und Visionen Hildegard 

sah den Willen Gottes 

in den Pflanzen hier 

und in Hieroglyphen 

öffnet sie antike Rätsel 

selber sich voll Schmerz Sibylle 

in der Stille ganz Prophetin 

in Gesang und in Gebet 

streifte sie der Cherubine 

feurig zarte Flügel 

ach wie schrieb ich 

einst vor Jahren 

als nur Äbte, Katzen lasen 

und noch nicht der Rummel war 

Atem Gottes war sie 

hier am Rhein 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 105

Samstag, Juni 9th, 2007

Sag mir –  ich komme vom Rhein –
wie soll ich Liebe denn benennen :
 

Es klebt die Erde am Fels
die Traube an der Rebe
die Rebe am Stock
der Himmel ganz an dir

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 104

Samstag, Juni 9th, 2007

Räbelein 

bist mir durch die Seel geschwommen 

flög ich auch zu dir 

all mein schwarzes Meer 

könnt ich dich nicht finden 

käme selbst dann in der Brandung um 

schlüg ich auf die Wellen 

 

so muß ich dir nahe sein 

ohne dich zu finden 

weiß nur daß du ganz in mir 

Flügelschlag und Flug schon bist 

 

wo wir uns verirren tun 

jeder kann nur fliegen seinen Flug 

ach wie gerne streiften 

unsre Flügel sich 

doch die schwarzen Wolken 

trennen uns und die schwarzen Meere auch 

 

pochen fühl ich stets dein Herz 

selbst im Steinschlag flatterst du 

das was wir uns schenken 

sag es nicht denn es ist zart 

daß selbst ein Wort es schon zerbricht 

 

Räbelein 

unsre Stärke nehmen wir aus dem 

großen Topf der Stille, unser Flug 

ist jene Spannung zwischen Leere, Nichts und 

völlig hier, schattenlos da fliegen wir 

manchmal durch die Dornen ohne zu 

verbluten nur mit Schwingen federleicht 

 

Räbelein 

ach wir wissen wie die Krallen sind 

krall mich fest und ich auch dich 

doch wir lösen alle Fesseln weil 

verwaist wir immer Suche sind 

 

es ist das Schicksal uns der Raben 

über fremde Feuer flattern ihre Leiber 

ihre schwarzen Schatten huschen 

hin über Asche, Nacht und Tag 

 

im Flügelschlag der Stille 

zuckt vor dem großen Schrei 

wie Glas entzwei 

ein Herz so fremd 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 102

Samstag, Juni 9th, 2007

Das das ist das schönste Erbe :

Komm wir machen Erben uns

öffnet sich uns ganz die Welt

aller Moder, Staub zerfällt

keiner fragt mehr nach Kultur

leg schnell weg dabei die Uhr

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 100

Samstag, Juni 9th, 2007

Dies ist doch das Land

wo viele junge tun verbittern

weil sie ohne Arbeit sind

glauben nicht mehr an die Politik

glauben nicht mehr an nur irgendwas

ganz ergeben dann was nur

süchtig macht, erlahmt, verschlittert

 

nicht weil taube Ohren sind

weil man satt hat das Gedusel

das den Wein und das lebend’ge Wort

beliebig wässert hin zum Fusel

 

unter allem Maskenschein

keine Bindung mehr

Wagnis hin zum Leben

offen ganz Gesicht zu sein

 

doch der Rhein hat eine Stimme

 

Strom er ganz

wird nie er zum Kanal

 

findet was er sucht das Meer

auch durch Felsen, Engen ganz hindurch

 

strömt er frei daher

seine Wellen an dem Ufer

 

flüstern ungefesselt leis

Ufer bist du selbst, komm an

 

auch wenn du im Abseits stehst

ohne Arbeit, Sinn ist da

 

nicht die Zeitung ist das Leben

nicht die Briefmark noch das Formular

 

nicht der Titel noch der Schulabschluß

keine krummen Türme nur von Pisa

 

Leben ist was du draus machst

wenn in dir nur Atem pocht

 

Feuer ist der Strom und zäh Geduld

Felsen so er auch bezwang

 

auch wenn keine Inseln sind

manchmal ist nur Treibholz, Sand

 

 

Strandgut kommt aus einer Ferne

die wir alle kennen nicht

 

laß dich schwemmen nicht hinweg

schwimm und geh nicht unter

ruder kräftig mit dem Arm

 

doch wenn zugefroren alles

wie einst hier die Schollen türmten sich

 

klirrend ganz wie Glas sprengt es hinweg

oder taut ganz auf allmählich

 

bricht das Eis uns in der Seele

nur von innen kommt was außen wandelt

 

alles uns dann neue Sicht

spiegelt sich im Aug des andern

 

Perspektiven brauchen Wechsel

Menschen, Ohren und Gespräche

 

wo Verstummung, kapselt

isoliert und igelt alles nur sich ein

 

unsre Zukunft ist

Vermummung nicht

 

offen schreiten wir zum Strom

sitzt ein alter Mann noch

heißt George

 

Wächter noch im totgesagten Park

der jetzt Gartenschau nur ist

 

hält in seiner Hand die Fackel

die noch nicht erloschen ist

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 98

Samstag, Juni 9th, 2007

Blind 

beerbt sich hier das Tal 

trotz der vielen Sichten 

sommertags steht still die Zeit 

mittags in der Hitze 

provencalisch fast 

auf den Höhen Luftzug ist 

unten tuckern Schiffe 

und du schließt die Augen 

wie die Eidechse 

auf dem Schiefer 

alte Göttin hier 

schon vor der Zeit 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 92

Freitag, Juni 8th, 2007

Wir leben in dem Tal

das Erbe ist

der Welt nun offen

Gäste kommen in das Tal

kommen da aus aller Welt

Sprachen und Nationen

Gast wir selber sind

auf Erden in dem Tal

das Erbe ist

doch Erbe heißt nicht Tod

Erbe kein Museum ist

Kulisse nur, Fassadentor

 

 

Erbe heißt wir leben

hier in Felsen und am Strom

von Natur so reich beschenkt

Sonne uns hier lacht

fröhlich, heiter, unbeschwert

doch wir leugnen Schatten nicht

mit uns leben die hier

auch gelebt, gestaltet

mit das Tal

die hier gelitten auch

 

 

Heine lacht mit uns und zecht

niemals wollen wir ein Erbe

das uns Heine stellt ins Abseits

davon hatten wir genug

kein Versuch mehr zu besudeln ihn

unser Erbe sind wir selber

unser Leben, Denken, Lieben, Tun

unser Erbe ist kein Monopol

weder für Vereine noch für Gastronom

viele Burgen gibt es hier, viele Ecken, viele Zentren

wo da jeder will der Größte sein

davon hatten wir genug

unser Erbe ist wir lernen

gemeinsam zu gestalten Leben, Strom und Stadt

 

 

Viele Stimmen sind dann da

viele Blicke, viele Sichten

unsere Kinder sollen frei

selbst entscheiden stets

daß hier immer neu

blüht das Tal

das uns Erbe ist zum Leben

weder eingefroren in Schablonen

weder Abziehbild, noch Etikett

 

nicht nur Geld nur und Tourismus

wir leben auch im Winter hier

Wein schenkt sich zusammen besser ein

unser Erbe ist nicht vorgegeben

lustvoll will es immer neu gestaltet sein

unser Erbe ist freier Atem hier am Strom