Archive for the ‘Hadamar’ Category

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 147

Donnerstag, August 2nd, 2007

Rabenkopfhöhe 

 

 

 

Mitten im Fels 

Kratzer aus Helle 

Nebel noch unten im Tal 

enger wird der Pfad 

zwischen Hecken und Dornen 

Sonne blendet dir 

eine Schrift 

die du nie verstehst 

die kopflos dich macht 

und die doch 

Sommer ganz ist 

zu riechen Erde und Gras 

zu atmen nächtlings noch Schwärze 

gewitterdurchzuckt Weite nun Höhe 

Unbeschwertheit 

Leichtheit der Luft 

du hältst den Tropfen nicht auf 

der fällt 

du bist machtlos 

gegenüber der Liebe, dem Blitz 

du segelst mit weißem Segel 

nicht über die schwarzen Berge 

du fängst den Raben nicht 

der dein eigenes Herz ist 

du zündest das Feuer nicht 

daß all deine Fesseln zerbrennt 

du gehst daher 

in der Enge des Pfads 

mit weitem Schritt 

doch dein Herz 

tanzt in den Hecken 

fliegt mit den Raben 

lacht über die Dornen 

es liest was der Kopf 

nicht versteht 

die hellen Kratzer im Fels 

es ist Sommer 

dein Herz 

hat sich verabschiedet 

von dir 

halt es nicht auf 

laß es fliegen 

du mußt es nicht 

suchen 

du weißt 

wo es zu finden 

du hältst den Tropfen 

nicht auf 

bist machtlos 

gegenüber der Liebe, dem Blitz 

ohne Herz 

mit leerem Kopf 

gehst du weiter 

die engen Pfade 

und doch 

es ist Sommer 

du bist beglückt 

mit einer fremden Weite 

die außerhalb dir 

und die doch 

ganz du bist 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 140

Freitag, Juni 22nd, 2007

  für Anna und Sarah zum heutigen Tag 22.6.2007
 
 

Es gibt ein Dank
den man tief spürt
es gibt ein Lob
das man nur leise spricht
es gibt ein Stolz
ganz zart und schlicht
 
 

es gibt ein Wissen
das geht nicht
durch Lehrer Mund
noch unbefleckt
von Politik Curricula
Utopien sind benotbar nicht
so wenig wie das Leid, die Klage
und auch die Liebe nicht
 
 

und was da zählt
ist oft nicht
was da zählbar ist
 
 

die Blume die da blüht
sie blüht weil sie von
innen blüht so wie sie ist
 
 

das Wort das manchmal trifft
es trifft weil es ein Zufall
Gabe, Blick und Gegenwart ganz ist
nicht weil es aufgelistet
in Wörterbüchern und Glossaren
 
 

das was sich schenkt uns
bereichert, öffnet uns
vermehrt die Sinne, das Fühlen
Tasten, Denken kommt nicht
aus einem hölzern Plan
ist Feuer ganz, und lodert, brennt
 
 

Geduld, die glüht und
Zähigkeit, die ausharrt
unvernebelt, unvoreingenommen
 
 

zu hören auch auf das
was nicht nur hochgepriesen
Lob und Anerkennung
zu sehen das Dunkel auch
zu wenden es in Helle
 
 

die Selbstverwirklichung
ist nicht ein Bärenfell
das nur erstickt im eignen
Dunst, in eigner Enge
 
 

das Leben schenkt uns
unvorhergesehen
stets neue Welten
die die alten in uns
mitgebären stets aufs neu
 
 

das was du siehst
kommt nicht von außen nur
es ist dein Blick
das Lernen der Pupille
von vielen Tagen, Jahren und Sekunden
 
 

das ist das Zeugnis der Reife
das fault nur allzuschnell
was reif sein will
was keimt, was brodelt, gärt
ist stets der Schritt zu einem Anfang
 
 

der Schiefer hier er spaltet sich
die Erde an den Hängen
ist voll von kleinen Steinchen
und doch voll Saat auch
grüner Pflanzen
 
 

der Strom hier
hält nie an
er strömt
er fließt hinweg
und ist beständig
doch hier immer da
 
 

das Leben pocht
es will nur Atem finden
und Atem ist
wo du ganz da
 
 

das Gras es küßt die Erde
die Erde küßt das Gras
der Wind er neidet beiden
diese feste Liebe
der Tod er sichelt es hinweg
 
 

doch bleibt was einmal war
und ganz vertraut
für immer Himmel
 
 

Verstand und Herz
sind Blumen
die Rose und der Dorn
die wachsen
auf demselben Stein
 
 

und wenn die Erde
wird zu schwer
dann wachsen Flügel
ganz aus Stille
 
 

dann lacht ein Engel
aus dem dicken Bärenfell
in dem wir fast ersticken
und wirft es weit
weit in den Fluß
 
 

daß wir uns beides
immer sind
Fluß und Ufer
beständig Halt und
doch ein jeder
seine Richtung
 
 

“ Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,
      Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern,
         Und verstehe die Freiheit,
             Aufzubrechen, wohin er will. „
 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 129

Mittwoch, Juni 20th, 2007

Zwischen uns

ist eine Fremdheit

die uns ganz

die Nähe schenkt

 

 

es ist als ob

die Nacht da spürt

das Dunkel eines

ander’n Sterns

 

 

es ist als ob

das Licht sich wendet

hin zu hell’rem Glanz

 

 

zwischen uns

ist eine Fremdheit

die uns ganz

die Nähe schenkt

 

 

es ist als ob

das Gras da zittert

wenn der Wind

die Halme fächert

über Wiesen, Felder streift

 

 

es ist als ob

der Stein da fühlt

die Feuerglut der Schlange

die sich aufbäumt oder ringt

 

 

es ist als ob der Adler

mit den Schwingen

die Gipfel einsam

mitträgt auf den Flügeln

 

 

zwischen uns

ist eine Fremdheit

die uns ganz

die Nähe schenkt

 

 

 

 

 

es ist als ob

der Schiefer

wenn er spaltet sich

zerfällt zu neuem Sein

 

 

es ist als ob

der Strom

durch Felsen bricht

in Wellen sanfter Glätte

 

 

es ist als ob

wir Ufer wär’n

von einem andern Strom

der unser Leben

ganz durchbricht

 

 

in uns

ist eine Fremdheit

die uns ganz

die Nähe schenkt

die aus der Stille wächst

die aus der Weite wächst

die alle Enge sprengt

und bettet sich

tief unter’m Flügel eines Raben

der getroffen wurde

vom Pfeil des blinden Knaben

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 127

Montag, Juni 18th, 2007

Die Frau des Schiffers 

 

 

 

Und immer war er weg 

und kam dann wieder 

zu Schiff war er dahin 

und sie in diesem kleinen Nest 

von der alten Mauer hoch 

wo sie wohnten 

wie alle hiesig Schiffigen 

hielt Ausschau wann das Schiff 

dann kam vorbei 

Anker warf 

und Anker werfen konnte er 

ganz tief 

das Schiff das steuert er 

und sie sie steuert ihn 

 

 

 

* * * * * 

 

 

Von meinem Urgroßvater wird leider berichtet, daß wenn das Schiff, das er steuerte, sich näherte, seine Frau auf der Stadtmauer schnell das Essen für ihn hinstellte, die Kinder schnappte und zur Burg hin flüchtete. 

 

 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 126

Montag, Juni 18th, 2007

Der blinde Schütz von Sooneck
 

Sie holten ihn
aus dem Verlies
aus tiefer feuchter Grube
wo er nur rund lief
angekettet noch
kalt der Fels
nur etwas Erde aufgestampft
und faules Stroh
der Himmel nicht zu sehen
in diesem innern tiefen Schacht
des hohen fensterlosen runden Turms
sie holten ihn
aus dem Verlies
den blinden Alten
weißbärtig, grau verfilzt
sein langes ungeschornes Haar
verfetzt in Lumpen was bedeckt
die abgemagert knöcherne Gestalt
so humpelt er dahin
Gespenst geworden er
der er Mensch mal war
geblendet weil er einst
zu sehr geliebt
die Frau,  die Schönheit,  Minne
die sie selber so begehrten doch
die Augen ausgestochen
leer und nur mit Hanf gefüllt
die Augen dieses Meisterschützen
sie holten ihn
zum Höhepunkt des Fests
zum Hohn, zum Spott
zur Lachparade
die sie zwanghaft
nur noch amüsieren können sich
um Mitternacht
ergötzten sie sich
im vollen Suff, im Rausch
die allzu blenden
an den stumpfen Augenhöhlen
ohne Glanz, ohn jegliche Pupille
sie haben ausgetilgt
was nicht mehr trifft
und waren sich sicher
hatten doch obsiegt
die Macht auf ihrer Seite
doch reicht der Sieg nicht immer
hält nicht an
ach allzu schnell vergeht
der Siegestaumel
so spielt die Katze mit der Maus
genüßlich langsam
läßt sie wieder los
und laufen frei
sie stellten ihm
den goldnen Becher hin
als Lohn nicht, nein,
als Hohn, als Ziel
der Alte nahm
ganz langsam
die Armbrust in die Hand
die Hand sie legte sicher
den Bolzen und die Schmach
sie spannte weit
sie lachten gellend auf
wie er blind doch war
der Becher auf der Truhe
blieb ruhig ganz stille stehen
in den Sekunden ganz aus blinder Tiefe
und es erstarb
für immer
das Lachen
in der Kehle dessen
der am meisten geblendet und gelästert laut
aufschallend lachte
der blinde Pfeil
er traf genau sein Ziel
 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 124

Sonntag, Juni 17th, 2007

In den Blüten des Weißdorns

der Frühling am Rhein

die Hänge hinab

wo alles wuchert

noch wild

Weinberge zugeheckt

traubenlos schon längst

die Blindschleiche

erobert sich wieder

ihr Terrain

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 122

Mittwoch, Juni 13th, 2007

Es ist das Tal des Blinden 

er hat ganz das Erbe 

das so nicht sichtbar ist 

fühlt die Sonne ganz 

den heißen Schiefer 

und die trockne Luft 

abends frischt da auf 

kühl der Wisperwind 

riecht den Rhein 

kurz vor dem Regen 

die Veilchen 

die alte Linde und 

den Maienduft 

hört all die Stimmen 

im Geklapper und Gezänk 

hört das Schweigen 

auf den Mauern ruhen 

hört die Schiffe tuckern 

und er weiߠ

welches Schiff da fuhr 

seine Schritte kennen 

jeden Pfad hier an dem Strom 

jeden Stein wo er könnt stolpern 

und mit weißem Stock 

und gelber Binde 

dreifach schwarzgepunktet 

mit der Schiffermütze 

auf dem Kopf 

durch die Kriege 

und die Nachkriegszeit 

Freiheit marschiert 

im Geiste mit 

Knippes nimm ihn an den Arm 

und Schritt für Schritt 

lern sehen so wie er 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 119

Dienstag, Juni 12th, 2007

Hat die Kultur hier auch 

ein Vermächtnis ? 

bei aller Stauferei 

Wernerkult und Knabenliebe 

in all der Enge hier 

bei Gezeter und Geschrei 

bei Öde auch und auch Provinz 

Touristemstrom und Sommerhitze 

Kassenbon und Werbetrommelei 

Saufen, Schlürfen oder Nippen 

Schiffe tuckern da vorbei 

Züge rollen 

auf den Gassen 

fallen Groschen auf das Pflaster 

hüllt die Romantik alles ein 

in Ritter, Raub und Loreley 

in Mondschein und in Dämmerschoppen 

Denkmal, Qual und Tal 

verhunzt und auch besudelt 

steril auch eingefroren 

wortlos ganz erstarrt 

das was verloren geht 

das hat die Gegend hier zu sagen 

die Liebe ganz des Rheins 

bei all dem was sich alles 

hochgestachelt nur gezüchtet 

 

Kinderseelen nicht zu treten 

 

Das ist das Vermächtnis 

hier des Rheins. 

 

Das ist das Erbe. 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 116

Montag, Juni 11th, 2007

Und du hüpftest in den Himmel

wunderbar

ein, zwei, drei kein gemeinsamer Tanz

und der Dom da von Venedig

ging da unter ganz im Wasser

und am leeren Strand von Costinesti

löschten sich die Spuren ganz im Sand

und in dem antiken Theater vor den großen Säulen

an der Küste Libyens nahe Tripolis

spielen Schatten nun den Totentanz

und du hüpftest in den Himmel

wunderbar

und die Seine weinte

Notre Dame zog sich den Trauerflor

über Engel, Kapitele und Portal

und du hüpftest in den Himmel

wunder-bar

und du hüpftest in den Himmel

flügellos

und du fielst ganz tief

niemand fing dich auf

Engel waren nicht zur Stell

eins, zwei, drei kein gemeinsamer Schrei

oder fielst du stumm

wortlos stürzt du dich

oder schriest du auf

unsre Erde fängt nicht auf

was sich stürzt hinab zu ihr

Studentin der Germanistik Tänzerin hier

Träne im Aug der Madonna

leicht wie der Distel Samen

allzu früh zersaust im Wind

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 115

Montag, Juni 11th, 2007

Man hat geköpft 

ganz kurz und bündig 

den Gottesgnadenstuhl 

Kopf ab kurz um 

 

 

und Fenster reingemacht 

wo vorher Gott noch saߠ

 

 

nachts siehst du oben auf der Galerie 

draußen zwischen lauter Schiefersäulchen 

 

 

die Engel durch die engen Gänge wallen 

sie suchen diese Kirche auf 

 

 

die blinden Augen Gottes 

hat man hier versteckt