Kultur bewegt zur Toleranz – Heine 29

Mai 30th, 2007

Wann kommt eine Zeit

wo es wieder Leser gibt

die die Texte nicht erhöhen

oder schmähen

sondern lesen und erkennen

ohne Suppe nur zu löffeln

Eintopf oder fett gebraten

Soße ganz aus Brei didaktisch

die da schmecken

Salz und Wort

Lippe sind noch selber Zunge

in der Taubheit unsrer Zeit

 

 

* * * * *

 

Kein Vorhang mehr wo alle Fragen

sind ersoffen nur

in der Laune eines Medienpopanz

 

* * * * *

 

 

Heine gassenhaft

hast du reingesaut

in die Etüden

hast die Seele

zirpeln lassen

und den Nachttopf

ganz geleert

 

 

* * * * *

 

Selten bläst du die Fanfare

wird der Rhein dir auch Staffage

Burgen, Berge, fahrend Ritter

Mythen, Sagen, Trutzgewitter

der Romantik abgeschaut

kleidest neu du jede Braut

auf den Felsen in die Höh

hüpfen Nixen und die Flöh

untergehen tuen Schiffer

damals gab’s noch keine Kiffer

liebestoll nur arme Fischer

doch durch die Fassaden durch

stichst du dann den Spott der Nadel

die die Finsternis durchstochen

alles ist nur falscher Adel

Fliegen sind nur

auf den Leim gekrochen

glaubten dir den Krautsalat

doch dein Herz auch ganz im Scherz

schweigend ist dir      still der Schmerz

 

aus den Flammen Dritten Reiches

bist du nun zurückgekehrt

aus dem unbekannten Volkslied

bist du wieder Name Titel

 

und ich möchte mich

auch nähern dir

um mich zu entfernen wieder

 

Kopist von dem Kopisten

ist unsrer aller kulturellen Spur

 

wir sind doch Epigonen

uns fehlen nur die Throne

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 28

Mai 30th, 2007

Die Toleranz

 

 

Sie suchten hier am Rhein

schon immer was

das Gold, das Haar, die Krone

 

die Römer suchten auf das Bad

die Kelten den Druidenpfad

die Juden ihre Mikveh

 

die Götter wechselten gar häufig

mal Mithridates, Isis, Bacchus und Astarte

 

auch die Germanen

brauchten einen Heiland

der kräftig war und stark

und siegreich in der Liebe

noch gab es Ehen mehr

als nur zu zweit

 

sie suchten einen Gott

der gab der Kirche

und dem Kaiser

viel Macht und Rom

erhob in neuem Glanz

sich auf des Glaubens Hügeln

 

der große Staufer war dazwischen

ein Hammer, der dann schnell gefällt

 

dann suchten sie

den Buchstab in der Bibel

Luther schaute den Leuten auf das Maul

die Landesfürsten auf die Kassen

 

die armen Bauern waren dazwischen

 

als das vorbei war

dachten sie die Wahrheit

Aufklärung und Moral

 

die Freiheitsbäume und Kokarden

Zipfelmützen Sansculottenhosen

von einer goldnen Biene bald zerfressen

kamen an den Rhein geschritten

 

der arme Hölderlin war auch dabei

 

als das vorbei war

dachten sie Befehl

Gehorsam, Führer und Partei

 

egal in welcher Farbe

das macht sich alles gut

ist nur der Blockwart auf der Hut

 

es blutete der Kontinent ganz fürchterlich

 

als das vorbei war

dachten sie Erfolg

ein jeder gegen jeden

egal mit wem und was und wie

 

selbst in die Seele

schauten sie wie nie

und therapierten was sich nicht

der neuen Leistung unterzog

 

so wuchs bei uns die Toleranz

Produkt aus vielen Kriegen

 

wir bomben nicht mehr zügellos

wir legen Minen nun aus Liebe

 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 27

Mai 30th, 2007

Zum Außenseiter auserkoren

 

Mitten in Europa

mitten in Deutschland

in der Mitte

vom Mittelrhein

mitten in der Stadt

bin ich geboren

mitten im Jahrhundert

mitten im Jahr

mitten im Monat

in der Mitte des Tags

1950

15. Juli 12 Uhr

in Bacharach

gegenüber dem Posthof

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 26

Mai 30th, 2007

Ach du hattest

schöne Locken

fielen dorthin

fielen hierhin

blieben nie

an einem Ort

fielen tief dir ins Gesicht

über deine Stirne ganz

ach du hattest

schöne Locken

und verlockend warst du da

fielst du dorthin

fielst du hierhin

nie bliebst du

an einem Ort

 

 

*  *  *  *  *

 

Täubchen meinte er

zur Therapeutin

und er meinte doch nur

taub sei sie

 

*  *  *  *  *

 

Welle, Welle fließe

immerzu willst frei du sein

doch was ist

wenn du kein Ufer findest

Welle, Welle fließe

immerzu willst frei du sein

doch wann kommt dir in den Sinn

daß du selber nur ein Schwanken

Zufall etwas Strom und Wind

Welle, Welle fließe

immerzu willst frei du sein

doch was ist

wenn du ein Ufer findest

 

* * * * *

 

Skeptisch war er gegen Bischöfe, auch gegen die des Atheismus.

 

* * * * *

 

Warum blieb er hier

wenn sich ihm hier nichts mehr bot

doch es zieht ihn in die Tiefe

zieht ihn ganz zurück

an den Anfang seines Lebens

hier waren seine ersten Schritte

hier wird lernen er

durch alle Fesseln gehen

Kunst bewegt zur Toleranz Heine 25

Mai 30th, 2007

Und die schwarzen Katzen

dösen auf den Treppenstufen

sonntags hell im Mittagslicht

und die Sonne wärmt ihr glänzend Fell

sind zu faul sich jetzt zu putzen

und die Krallen scharf wie nie

zucken noch vom Mäusemorden in der Nacht

und der junge Vogel ward gefressen

eben hat er noch den Tag besungen

gleich am frühen Morgen schon

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 24

Mai 29th, 2007

Und es war im Traum heut morgen

und da hüpft ich federleicht

war ein Vogel ohne Schwingen

und umfaßte dich doch ganz

sah in deine Augen tief hinein

blaue Meere öffnete die Seele

selten war ich dir so nah

und dein Fuß er stand auf meinen

und von Stein zu Stein war’s ein Gelingen

setzte auf und war schon fort

wieder auf dem nächsten ganz

genau berechnet Sprung und Absprung

nichts an Kraft ging da verloren

harrte aus nur so wie nötig

weiter ging’s ein Flug ohn Brechung

reiste so durch viele Orte

wo wir oft gewesen sind

und die alte Frau dort auf der Mauer

tot schon lange sagte Namen

sind’s gewesen die auch tot jetzt schon

und das Öchslein sagt

ich wurd geschlachtet

und der irre Bruder sagt vergast

und das Stöcklein sagt

ich wurd verbrannt

und das Schlächterlein

es sagte nichts

und das Todesengelein

schlief fest im Herrn

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 23

Mai 29th, 2007

Ich habe nichts vernommen

ich hab auch nicht gefragt

sind sie die Treppen stiegen

und ausgerutscht dabei

gab es Protest und leere Spiele

lief alles diesmal glatt vorbei

war Regen oder Sonne

war Andacht oder Eitelkeit

war ein Gefühl von Größe

bei soviel hohen Herren

wie fühlt man sich gerühret

wenn soviel Welt zu Gast

es schmeichelt jeder jedem

schick genug für Landrat Schick

ob die Presse war dabei

das brauch ich nicht zu fragen

gucken stets nach Titel

und ansonsten sind sie still

dem Institut von Heine

gab ich den Tip mit Horn 2002

haben aufgegriffen sie es jetzt

vielleicht da kommen doch noch Zeiten

daß Dichter wenn auch nicht von diesem

vom letzten noch Jahrhundert auch zugegen

doch immerhin wir sind schon angekommen

im Neunzehnten das ist schon viel

das Grauen wird nicht besser

die Texte schreiben nicht mehr schnell sich hin

ach am Ende war noch Regen

und das ist kein Segen

habe noch vor Augen

wie obwohl ganz abgesichert

wie die ersten Christen fühlten sich

Frieden war ganz in Gefahr

mutig ruckten sie den Kopf

ganz in die Höh

schon beim ersten Tropfen

den man vorher so geduckt

ach Gewissen ist ja leicht

täglich kann man kaufen es in Zeitung

weil es ist so leicht

schwebt es auch so schnell dahin

ach wir haben ja vor Augen

Oskar trommelt schon mit drei

früh genug kann Widerstand nicht sein

ach ich hab soviel erlebt

falsche Gränze, falsche Gräber

falsche Namen alles war dabei

Horn war auch Franzosenhasser

Winand hasste ebenso

aber mehr die Juden

ach die Heimat ist ein Greul

immer gilt es wegzugucken

auszuschalten und radieren

nur an Festen kostümiert sich alles

tolerant und bunt und mützig

hüpft dann selig ganz vereint

und der Wein er macht es möglich

daß die eben sich noch morden

in den Armen liegen wonnevoll

schön war immer Kaffee Kuchen

hier in Marburg

wenn die Brüderlichkeit begann

einmal wöchentlich im Jahr

fing stets an im Offizierscasino

erster Weltkrieg Orden alte Herren

unsere Arbeit in der Presse

und die Juden  mußten loben, loben, loben

Frau Bandirektor hochgehoben

laut erwähnt

und die alte Frau daneben flüstert

sagt ich bin hier auch gewesen

und vertrieben worden einst

und du konntest lernen viel

von den die viel gelitten

nur die Glasur vom christlich Kuchen

war dir stets zu glatt und matt

hättest gern gesehen auf Pfingsten hier

jenen Herrn der auch begrüßt die Gäste

Mitglied ist – goggle sieht es –

der Historischen Kommission

ach ich schweige still

was sich da in Köln getrieben

wie sich wer geschmückt

mit der Arbeit eines andern

ach ich wär so gern dabeigewesen

jetzt bei all den hohen Herren

diesmal glaub ich

hätt ich’s doch ertragen

letztes Mal da wurd mir schlecht

soff die ganze Nacht davor mit einem jungen Rechten

der jetzt tot im Grab schon liegt

kotzte, kotzte soviel Wendehälse

manchmal schmerzt der Fortschritt auch

in mir blieb noch unbewältigt

was sich leichthin wälzt nun fort

in der Unschuld aller

die scheint’s immer schon gewesen

ach ich liebe die Kapelle

steht’s zieht sie die Leute an

stell mir Heine deinen Text jetzt vor

ihre Wasserspeier lachen

Fratzen und Grimassen ganz verzerrt

heute kommen die   die gestern flohen

blind Romantik sucht ihr Seelenheil

Carus findet seine Heimat wieder

Pilger sind wir alle

streben all nach oben unbedacht

wie die Pfeiler, hohen Fenster hier

wechseln nur die Pfade, die wir treten

und die Namen die wir treten auch

plötzlich mischt sich um das Kartenspiel

doch was dazwischen ist gewesen

niemand sieht die Tricks

nein es waren keine Tricks gewesen

offen Löcher und Vergessen

Abgrund  harmlos scheinbar  Kraft durch Freude

mühsam das Erinnern aus dem Dunkel

tiefer auch geleugtner Schuld

nicht von oben fiel was jetzt

von oben besserwissend gar serviert

kleine Schritte unbeachtet

die doch Änderung bewegt

ja es kam so mancher zur Besinnung

als es galt noch vor dem Tod

eine Stadt die wandelt sich

erst wenn alle Vorurteile gehen

hier in der Kapelle

als noch Gras den Boden deckte

wild und frei der Zutritt war

einst ich auch fein Vortrag hielt

über fast genau dasselbe

drastisch, schaurig,düster, finster

Zuhörer zwei, drei Touristen war’n

und es gab dafür ne Mark

und ich rauchte meine erste Zigarette

in der Nische wo der Heilige einst lag

und der Heilige er war nicht heilig

und ich keuchte, hustete ganz stark

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 22

Mai 29th, 2007

Spiegelglas – falsch gespiegelt –

 

 

Oberhalb des Rheingaus, mitten im Weltkulturerbe, wo die Ufer des Stroms ihre lachende Miene ( nicht Mine ) finden, Berg und Felsen mit ihren stillgelegten Burgruinen sich milder gebärden und eine zahme, sanftere Herrlichkeit emporsteigt,  dort liegt wie eine fröhliche Sage der Nachwelt, die helle ganz neue Stadt Bacherach. Nicht immer waren so renoviert und aufgeputzt diese Mauern mit ihren sanierten Zinnen und vorwitzigen Warttürmchen, in deren windstillen Luken Spatzen nisten; in diesen heimeligen schönen Lehmfachwerkgassen, die man durch das offene Tor erblickt, herrschte nicht immer jenes fröhliche Treiben, das nur dann und wann unterbrochen wird von lachenden Kindern, singenden Frauen und sanft muhend gähnenden Touristen, müde vom vielen Städte- und Burgendurchlaufen.

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 21

Mai 29th, 2007

Das Testament

der alten Katze

die man immer schlug

sie wollte

ganz alleine sein

und hatte Angst

im Tod

das nicht zu sein

wie wehren sich ?

sie bat den Wolf

wenn es soweit

daß er sie

still begrub

an einer Ecke

wo der Wind hinpfeift

und keine Maus

zugegen

sie hat zuviele

schon im Magen

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 20

Mai 28th, 2007

Alter Vater Rhein in deinem Bart

flechten neue Muster sich

laß die Wellen sie durchdringen

aus den Strudeln zieht sich neue Bahn

Strömung hin zu Meeresfluten

doch du weißt ich bin das Gegenfluten

schwacher Fels in tosend Brandung

Widerhaken im Gefälle, Dorn im Dickicht

Stein an Biegung, Eck und Grund

reißen alle Netze mir, niemand

fischt mich auf aus deiner Enge

immer strömst du mir entgegen

stemme mich doch nie hinweg

nenn es Trotz, Verachtung, Stolz

liebe nicht die mit dir schwimmen

immer je nach Pegel oben auf

deine Ufer sind mir eng

deine Berge Papp-paraden

deine Stirne mag ich

hart und keltisch, römisch glatte Schläfe

alter Flußgott fesselst mich

mit der Reben saurem Saft

deine Augen schauen durch alle Masken

deine Haare feuerrot im Wasser

alter Vater Rhein zwischen deinen Ufern

wenn die Öde an den Tälern klebt

strömst du, pochst du

bist du Atem mir und frei

Richtung, Puls und Leben

und dein Mund er flüstert mir

wellentief und – leis

wenn der Mond des Nachts

badet wie auf einer Scherbe Glas

wiegt mich ganz dein Felsenecho

alte Sagen sagen es

Sohn des Rheins bist du geblieben