In Ruinen
blüht unsere Liebe
am schönsten
in Fertighäusern
such ich immer den Ausgang
und finde ihn nicht
In Ruinen
blüht unsere Liebe
am schönsten
in Fertighäusern
such ich immer den Ausgang
und finde ihn nicht
Ich lebe noch
sagt die Angel
wenn sie
plötzlich wieder da
die vorher ruhig
fast abwesend gewesen
nach oben
wirft die Schnur
ich lebe noch
wenn an dem Haken
hängt ein Fisch
und zappelt, zappelt, zappelt
Zwischen uns
ist eine Fremdheit
die uns ganz
die Nähe schenkt
es ist als ob
die Nacht da spürt
das Dunkel eines
ander’n Sterns
es ist als ob
das Licht sich wendet
hin zu hell’rem Glanz
zwischen uns
ist eine Fremdheit
die uns ganz
die Nähe schenkt
es ist als ob
das Gras da zittert
wenn der Wind
die Halme fächert
über Wiesen, Felder streift
es ist als ob
der Stein da fühlt
die Feuerglut der Schlange
die sich aufbäumt oder ringt
es ist als ob der Adler
mit den Schwingen
die Gipfel einsam
mitträgt auf den Flügeln
zwischen uns
ist eine Fremdheit
die uns ganz
die Nähe schenkt
es ist als ob
der Schiefer
wenn er spaltet sich
zerfällt zu neuem Sein
es ist als ob
der Strom
durch Felsen bricht
in Wellen sanfter Glätte
es ist als ob
wir Ufer wär’n
von einem andern Strom
der unser Leben
ganz durchbricht
in uns
ist eine Fremdheit
die uns ganz
die Nähe schenkt
die aus der Stille wächst
die aus der Weite wächst
die alle Enge sprengt
und bettet sich
tief unter’m Flügel eines Raben
der getroffen wurde
vom Pfeil des blinden Knaben
Eine Liebe groß und schwer
sagt der Rhein
ich trage sie
durch die Felsen hindurch
vom Gebirge bis zum Meer
strömt sie
an wieviel Klippen vorbei
sie geht nicht unter
in keinem Strudel und Sog
eine Liebe groß und schwer
sagt der Rhein
gespeist von den Nebenflüssen
gespeist von denen die sich
stürzten in mich
für immer
aus dem Leben heraus
in die Tiefe
weil ihnen
alles gefror
zwei Kammern
hat ein Herz ja nur
eine Liebe groß und schwer
sagt der Rhein
ich trage sie
durch die Felsen hindurch
strömt sie
an wieviel Klippen vorbei
in das Meer des Vergessens
strömt, stürzt sie hinweg
ohne Ankunft und Ufer
für Rolf * 13.6.1937
Dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
Nebel ümhüllt ihre Dächer
Türme schauen noch raus
rabenbesetzt
dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
die Weiße zieht sich immer dichter
über Mauern, Gassen hin
ein alter Fährmann
stakt noch schwarz im Nebel
und ruft “ Hol über “
wie aus einer andern Welt
und schlägt dreimal
eine Eisen gegen einen Pfosten
so daß es klingt ganz hohl und leer
da kommt ein Nachen dann daher
der Tod mit schwarzem Kahn
hält an dem Ufer an
und in den Gärten schweigt es
wie auch in der Stadt
da tönt die Totenglocke dumpf
ganz monoton in einem Takt
der schwer und langsam
unbeirrt und unerbittlich
als ob da stumpfe Schritte
auf dem leeren Pflaster hallen
wie schwere Regentropfen auf dem Dach
und von den Bergen schreit
ein Käuzchen dreimal klagend
dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
Nebel umhüllt ihre Dächer
und du hörst keinen Laut
ein Schweigen umhüllt sie
ein Hören ganz kurz
in die unfaßbare Stille
nachdem der letzte Schlag
der Totenglocke war verklungen
und für immer war verhallt
der Atem eines ganzen Lebens
Hat die Kultur hier auch
ein Vermächtnis ?
bei aller Stauferei
Wernerkult und Knabenliebe
in all der Enge hier
bei Gezeter und Geschrei
bei Öde auch und auch Provinz
Touristemstrom und Sommerhitze
Kassenbon und Werbetrommelei
Saufen, Schlürfen oder Nippen
Schiffe tuckern da vorbei
Züge rollen
auf den Gassen
fallen Groschen auf das Pflaster
hüllt die Romantik alles ein
in Ritter, Raub und Loreley
in Mondschein und in Dämmerschoppen
Denkmal, Qual und Tal
verhunzt und auch besudelt
steril auch eingefroren
wortlos ganz erstarrt
das was verloren geht
das hat die Gegend hier zu sagen
die Liebe ganz des Rheins
bei all dem was sich alles
hochgestachelt nur gezüchtet
Kinderseelen nicht zu treten
Das ist das Vermächtnis
hier des Rheins.
Das ist das Erbe.
Und du hüpftest in den Himmel
wunderbar
ein, zwei, drei kein gemeinsamer Tanz
und der Dom da von Venedig
ging da unter ganz im Wasser
und am leeren Strand von Costinesti
löschten sich die Spuren ganz im Sand
und in dem antiken Theater vor den großen Säulen
an der Küste Libyens nahe Tripolis
spielen Schatten nun den Totentanz
und du hüpftest in den Himmel
wunderbar
und die Seine weinte
Notre Dame zog sich den Trauerflor
über Engel, Kapitele und Portal
und du hüpftest in den Himmel
wunder-bar
und du hüpftest in den Himmel
flügellos
und du fielst ganz tief
niemand fing dich auf
Engel waren nicht zur Stell
eins, zwei, drei kein gemeinsamer Schrei
oder fielst du stumm
wortlos stürzt du dich
oder schriest du auf
unsre Erde fängt nicht auf
was sich stürzt hinab zu ihr
Studentin der Germanistik Tänzerin hier
Träne im Aug der Madonna
leicht wie der Distel Samen
allzu früh zersaust im Wind
Unnergaß das war Kultur
Delle Marie wusch die Haare
heiße Brötchen durch die enge Gaß
Quetschekuchen, Weihnachtsplätzchen
alles dampfte auf dem Blech
Klickerspielen im Gewäckelten
zwischen groben Pflastersteinen
Gras und Erde, Riesentäler
und im Kranenturm
wie eine fremde Welt
wurd gefeiert und gezecht
vor den Kellern hielten Bütten
ganz voll Trauben warten sie
ehe da gekeltert griff man zu
ebenso da hackte man
mit spitzen Steinen oder rost’gen Nägeln
Kratzer sich und Stücke
hinweg von den Stangen ganz aus Eis
die mit Pferden angefahren kamen
Wolken sah man schmal den Himmel
Sonne fiel nicht ganz in die enge Gaß
die gewölbt sich buckelt hoch
eh sie zu den Toren jeweils hinfällt flach
kam einer dahergeschritten
hörte man das auf dem Pflaster gut
Kinder kreischtem, Alte feilschten
alle tratschten, Neuigkeiten waren stets schon alt
Ehepaare schrien, keiften, stritten sich
und dazwischen ganz geschäftig noch
das Scheppern, Klappern und das Hämmern
Sägen, Flaschenklirren
hörte singen auch dann noch ein Lied
eine alte Frauenstimme sang’s
irgendwas von der Madonna, die sich
soll erbarm über all die Menschen hier
in den engen Gassen, wo die
Schiffer und die alte SPD noch war
ach was war dagegen
die Oberstraße flau und matt
geschäftig immer nur ein müdes Treiben
glatt und ohne anzuhalten
jeder aufgesetzt ne feine Miene
für Touristen die nur hier
keiner sah zum Fenster raus
unrasiert mit wilden Haaren und zersaust
nur erschrak man in der Unnergaß
stets hielt ich den Atem an
wenn zum Schlachten wurden getrieben
die Schweine in ein enges Seitengäßchen rein
und sie rochen dann den Tod
und sie quieckten, quiekten
jämmerlich ganz schrill und laut
all die feinen Schnitzel
und der Metzger
auch bald weg
heiße Fleischwurst dann
geschweißt in Plastik
und der Geruch von Fisch
bei Reuters Anna
Schellfisch mit der
Soße ganz aus Senf
und die alte Kilsbach
Obst, Gemüse, frische Erdbeer’n
schreibt mit Kreide
nicht mehr auf die Tafel
Rechnung und die Preise
und der Milchladen an der Eck
schöner noch als Rüdesheim je war
in die Becher goß sich Milch
schoppenweise aus den Kannen
und dem großen Eimer auch
gläsern in der Kanne
wurde Bier noch auch geholt
Wasser in den Eimern
aus den alten Brunnen noch
wenn die Leitung war versiegt
Hochwasser fand hier
zuerst dann statt
in den Toren, Türmen
stand es hoch
denn der Rhein er weiß
welche Gaß er liebt
nie wird sein
auch nicht bei allem Erbe
mag es dann auch noch soviel umfassen
Denkmal, Städte, Täler, Berge
daß da Unnergaß und Obergaß
je da werden eine Welt
Kultur ist nicht
das was du liest
ist was aus der Haut
dir sprießt
was du selber bist
dein Fühlen, Tasten
was ins Aug dir tritt
wenn du öffnest dich
Licht fällt ein
Ahnung
heil und ganz zu sein
* * * * *
Lesen ist nur Suchen
unumgänglich
Findung ist
das alles zu vergessen
so erwacht
der toten Buchstab Sinn
das was du gelesen hast
ist abwesend und doch da
es kommt hinzu
ganz ungeplant
ungezwungen Leere
dies das wußten stets die Fischer hier
alle Netze sind nur blind
Zu-fall ist der Fang ganz aus der Tiefe
In das Haus des Dionysos zieh ich ein
auf einer Insel klippenumrundet
griechisches Feuer flammt am Stein
Efeu überzieht nackte Wände
Wind fegt durch die offene Tür
wilde Bienen hausen im alten Gemäuer
Eidechsen huschen durch Dornen davor
ein Fenster ist auf, durch das
der Mond schenkt seinen bleichen Schein
da bin ich allein mit dir
schwarze Schwester der Dohlen
und wir trinken den Wein
aus schmerzgebrannten Bechern
aus der Unterwelt kommt ein Kassiber herauf
Orpheus grüßt uns, er hat es geschafft
Eurydike hat ihn angesehen
und geflochten sein Haar in die Nacht der Toten
Blitze zucken auf
aus den Bechern heraus
fließt der Wein
unsere Augen verschwimmen
ineinander ganz
Sterne funkeln darin
durchbrechen die Körper, die Schatten
eine Sonne gebärt sich
über den Fels rollen verwunschene Steine
zischen die grünen Schlangen hinweg