Archive for Mai, 2007

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 23

Dienstag, Mai 29th, 2007

Ich habe nichts vernommen

ich hab auch nicht gefragt

sind sie die Treppen stiegen

und ausgerutscht dabei

gab es Protest und leere Spiele

lief alles diesmal glatt vorbei

war Regen oder Sonne

war Andacht oder Eitelkeit

war ein Gefühl von Größe

bei soviel hohen Herren

wie fühlt man sich gerühret

wenn soviel Welt zu Gast

es schmeichelt jeder jedem

schick genug für Landrat Schick

ob die Presse war dabei

das brauch ich nicht zu fragen

gucken stets nach Titel

und ansonsten sind sie still

dem Institut von Heine

gab ich den Tip mit Horn 2002

haben aufgegriffen sie es jetzt

vielleicht da kommen doch noch Zeiten

daß Dichter wenn auch nicht von diesem

vom letzten noch Jahrhundert auch zugegen

doch immerhin wir sind schon angekommen

im Neunzehnten das ist schon viel

das Grauen wird nicht besser

die Texte schreiben nicht mehr schnell sich hin

ach am Ende war noch Regen

und das ist kein Segen

habe noch vor Augen

wie obwohl ganz abgesichert

wie die ersten Christen fühlten sich

Frieden war ganz in Gefahr

mutig ruckten sie den Kopf

ganz in die Höh

schon beim ersten Tropfen

den man vorher so geduckt

ach Gewissen ist ja leicht

täglich kann man kaufen es in Zeitung

weil es ist so leicht

schwebt es auch so schnell dahin

ach wir haben ja vor Augen

Oskar trommelt schon mit drei

früh genug kann Widerstand nicht sein

ach ich hab soviel erlebt

falsche Gränze, falsche Gräber

falsche Namen alles war dabei

Horn war auch Franzosenhasser

Winand hasste ebenso

aber mehr die Juden

ach die Heimat ist ein Greul

immer gilt es wegzugucken

auszuschalten und radieren

nur an Festen kostümiert sich alles

tolerant und bunt und mützig

hüpft dann selig ganz vereint

und der Wein er macht es möglich

daß die eben sich noch morden

in den Armen liegen wonnevoll

schön war immer Kaffee Kuchen

hier in Marburg

wenn die Brüderlichkeit begann

einmal wöchentlich im Jahr

fing stets an im Offizierscasino

erster Weltkrieg Orden alte Herren

unsere Arbeit in der Presse

und die Juden  mußten loben, loben, loben

Frau Bandirektor hochgehoben

laut erwähnt

und die alte Frau daneben flüstert

sagt ich bin hier auch gewesen

und vertrieben worden einst

und du konntest lernen viel

von den die viel gelitten

nur die Glasur vom christlich Kuchen

war dir stets zu glatt und matt

hättest gern gesehen auf Pfingsten hier

jenen Herrn der auch begrüßt die Gäste

Mitglied ist – goggle sieht es –

der Historischen Kommission

ach ich schweige still

was sich da in Köln getrieben

wie sich wer geschmückt

mit der Arbeit eines andern

ach ich wär so gern dabeigewesen

jetzt bei all den hohen Herren

diesmal glaub ich

hätt ich’s doch ertragen

letztes Mal da wurd mir schlecht

soff die ganze Nacht davor mit einem jungen Rechten

der jetzt tot im Grab schon liegt

kotzte, kotzte soviel Wendehälse

manchmal schmerzt der Fortschritt auch

in mir blieb noch unbewältigt

was sich leichthin wälzt nun fort

in der Unschuld aller

die scheint’s immer schon gewesen

ach ich liebe die Kapelle

steht’s zieht sie die Leute an

stell mir Heine deinen Text jetzt vor

ihre Wasserspeier lachen

Fratzen und Grimassen ganz verzerrt

heute kommen die   die gestern flohen

blind Romantik sucht ihr Seelenheil

Carus findet seine Heimat wieder

Pilger sind wir alle

streben all nach oben unbedacht

wie die Pfeiler, hohen Fenster hier

wechseln nur die Pfade, die wir treten

und die Namen die wir treten auch

plötzlich mischt sich um das Kartenspiel

doch was dazwischen ist gewesen

niemand sieht die Tricks

nein es waren keine Tricks gewesen

offen Löcher und Vergessen

Abgrund  harmlos scheinbar  Kraft durch Freude

mühsam das Erinnern aus dem Dunkel

tiefer auch geleugtner Schuld

nicht von oben fiel was jetzt

von oben besserwissend gar serviert

kleine Schritte unbeachtet

die doch Änderung bewegt

ja es kam so mancher zur Besinnung

als es galt noch vor dem Tod

eine Stadt die wandelt sich

erst wenn alle Vorurteile gehen

hier in der Kapelle

als noch Gras den Boden deckte

wild und frei der Zutritt war

einst ich auch fein Vortrag hielt

über fast genau dasselbe

drastisch, schaurig,düster, finster

Zuhörer zwei, drei Touristen war’n

und es gab dafür ne Mark

und ich rauchte meine erste Zigarette

in der Nische wo der Heilige einst lag

und der Heilige er war nicht heilig

und ich keuchte, hustete ganz stark

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 22

Dienstag, Mai 29th, 2007

Spiegelglas – falsch gespiegelt –

 

 

Oberhalb des Rheingaus, mitten im Weltkulturerbe, wo die Ufer des Stroms ihre lachende Miene ( nicht Mine ) finden, Berg und Felsen mit ihren stillgelegten Burgruinen sich milder gebärden und eine zahme, sanftere Herrlichkeit emporsteigt,  dort liegt wie eine fröhliche Sage der Nachwelt, die helle ganz neue Stadt Bacherach. Nicht immer waren so renoviert und aufgeputzt diese Mauern mit ihren sanierten Zinnen und vorwitzigen Warttürmchen, in deren windstillen Luken Spatzen nisten; in diesen heimeligen schönen Lehmfachwerkgassen, die man durch das offene Tor erblickt, herrschte nicht immer jenes fröhliche Treiben, das nur dann und wann unterbrochen wird von lachenden Kindern, singenden Frauen und sanft muhend gähnenden Touristen, müde vom vielen Städte- und Burgendurchlaufen.

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 21

Dienstag, Mai 29th, 2007

Das Testament

der alten Katze

die man immer schlug

sie wollte

ganz alleine sein

und hatte Angst

im Tod

das nicht zu sein

wie wehren sich ?

sie bat den Wolf

wenn es soweit

daß er sie

still begrub

an einer Ecke

wo der Wind hinpfeift

und keine Maus

zugegen

sie hat zuviele

schon im Magen

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 20

Montag, Mai 28th, 2007

Alter Vater Rhein in deinem Bart

flechten neue Muster sich

laß die Wellen sie durchdringen

aus den Strudeln zieht sich neue Bahn

Strömung hin zu Meeresfluten

doch du weißt ich bin das Gegenfluten

schwacher Fels in tosend Brandung

Widerhaken im Gefälle, Dorn im Dickicht

Stein an Biegung, Eck und Grund

reißen alle Netze mir, niemand

fischt mich auf aus deiner Enge

immer strömst du mir entgegen

stemme mich doch nie hinweg

nenn es Trotz, Verachtung, Stolz

liebe nicht die mit dir schwimmen

immer je nach Pegel oben auf

deine Ufer sind mir eng

deine Berge Papp-paraden

deine Stirne mag ich

hart und keltisch, römisch glatte Schläfe

alter Flußgott fesselst mich

mit der Reben saurem Saft

deine Augen schauen durch alle Masken

deine Haare feuerrot im Wasser

alter Vater Rhein zwischen deinen Ufern

wenn die Öde an den Tälern klebt

strömst du, pochst du

bist du Atem mir und frei

Richtung, Puls und Leben

und dein Mund er flüstert mir

wellentief und – leis

wenn der Mond des Nachts

badet wie auf einer Scherbe Glas

wiegt mich ganz dein Felsenecho

alte Sagen sagen es

Sohn des Rheins bist du geblieben

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 19

Montag, Mai 28th, 2007

Bleiche Schwester der Romantik

komm heraus aus deim Versteck

ja ich weiß du scheust das Grelle

wie die Eule blind das Tageslicht

aber schau, sie erben doch

ohne anzuschaun das Tote

zogst dich nicht zurück im Leben

daß die Nachwelt fingern tut

aber sei nicht bang

sie sind ganz balanciert global

sehen nicht was vor den Füßen

Bleiche Schwester der Romantik

komm heraus aus deim Versteck

sieh das rote Fenster

schwarzer Vogelfüße Krähenspitzen

schreiben Heines Text

in der Kapelle unbedachter Stille

in den ruhelosen Himmel

Wolken, Sonne, Mond und Blitze

leuchten auf der Buchstab Sterne auch

Kunst bewegt zur Toleranz Heine 18

Montag, Mai 28th, 2007

Da kommt er hergeschritten

und geht durch diese Stadt

die seine Texte gläsern

zum Fenster hat gemacht

durch Fenster kann man sehen

stets neu die Fahnen wehen

die Zeit sie bleibt nicht stehen

wir müssen vorwärts gehen

aus den Kaminen steigt der Rauch

die schwarzen Dohlen nisten auf den Simsen

der Wisperwind klopft an die Scheiben

vorbei die Zeit des Lug und Trugs der Hetze

der Text dort auf dem Fenster

vertreibt all die Gespenster

der Fremde der da kommt

er geht durch diese Stadt

wie durch ein Haus das

offne Türen hat

in Herzen liegt der Schlüssel

und in den Köpfen grüßt ein neuer Tag

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 17

Montag, Mai 28th, 2007

Ja er war ein Ketzer

ganz und gar

mit Haut und Haar

küß mir das blanke Schwert

das der liebe Gott be-schert

das feuerrote Sefchen

statt der schwarzen Locken

des Henkers Töchterlein

er sah was seinem Volke fehlt

er trat und trat

Sarkasmus, Spott, Witz, Ironie

Verrat, ja auch Verrat

oft ratlos gar

nur ja nicht wieder kriechen

warf er den Kopf

im Ohr noch dies Haarüh ! Haarüh !

verzweifelt sein Gebet

kalt Spott zur Höh

vielleicht hat Gott ihn ja erhört

den soviel Trotz nicht weiter stört

fand er am Ende doch zu ihm

doch vorher noch sein Leben lang

daß jedem Frommen wurde bang

sei Nazarener er, Christ oder Jud

er köpfte alle Köpfe mit und ohne Hut

das Leben zeigt er sinnlich nackt

er liebt wie niemand lieben kann

er ist ein Deutscher mehr als jeder Mann

er kennt die Herzen, Träume, Phantasien

die Lügen, Schmeicheleien, Maskeraden

er tanzt das Leben wild voll Glut

doch kommt stets zur Besinnung

er verliert sich ganz

und findet doppelt sich dann wieder

er ist ein Bürger zweier, dreier Welten

zerrissen, atmend, leidend und voll Kraft

in seinem Widerspruch ist er Gott nah

er ist die Frage

die mit falscher Antwort

auf Dauer nie zufrieden war

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 16

Montag, Mai 28th, 2007

Abseits ist nicht

immer nur daneben

Abseits ist mitunter

mittendrin

und du siehst die Schatten

die das Leben

anders wirft

als nur dahin

die sich knüpfen

in ein Morgen

wenn das Dunkel heute

ist dahin

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 15

Montag, Mai 28th, 2007

 

Stumme ist
zieht lautlos durch die Gassen
 

Stumme ist
verharrt an einer Stell
 

Stumme ist
     kein Raum zum Reden
 

niemand dir
jetzt nah von den die leben
 

Stumme ist
ganz eingedenk
 

und der Regen
löst die Seele
 

und er wäscht
den Fels die Erde
 

und durch
schwarze Tore
schweigend
gehst du still
 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 14

Montag, Mai 28th, 2007

Einfach hineinlesen :

 

 

Die Pflastersteine auf der Straß
die sollen sich jetzt spalten
und eine Auster frisch und klar
soll jeder Stein enthalten

 

Die verwünschten Tempeltreppen

daß ich stolpernd in den Abgrund

nicht den Hals gebrochen mehrmals,

ist mir heut noch unbegreiflich.

 

Wie die Wasserstürze kreischten !

wie der Wind die Tannen peitschte,

daß sie heulten ! Plötzlich platzten

Auch die Wolken – schlechtes Wetter !

 

Das ist ja die verkehrte Welt,

wir gehen auf den Köpfen!

Die Jäger werden dutzendweis

Erschossen von den Schnepfen.

 

Das ist der finstre Sohn der Nacht,

der hier den segnenden Priester macht;

er murmelt die Formeln aus blutigem Buch,

sein Beten ist Lästern, sein Segen ist Fluch.

 

“ Die großen Buben gingen vorbei und grüßten : “ Haarüh ! “ die kleinen riefen mir denselben Gruß, aber in einiger Entfernung. …rief mir plötzlich ins Ohr ein lachendes Haarüh ! – das schnöde Wort im Davonlaufen beständig modulierend…aber nie unterließ er dann auch das fatale Haarüh ! zu rufen und zwar in allen Modulationen. „

 

O Harry  Heine wie gut du rheinsiche Städte kennst ! ! !