Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 119

Juni 12th, 2007

Hat die Kultur hier auch 

ein Vermächtnis ? 

bei aller Stauferei 

Wernerkult und Knabenliebe 

in all der Enge hier 

bei Gezeter und Geschrei 

bei Öde auch und auch Provinz 

Touristemstrom und Sommerhitze 

Kassenbon und Werbetrommelei 

Saufen, Schlürfen oder Nippen 

Schiffe tuckern da vorbei 

Züge rollen 

auf den Gassen 

fallen Groschen auf das Pflaster 

hüllt die Romantik alles ein 

in Ritter, Raub und Loreley 

in Mondschein und in Dämmerschoppen 

Denkmal, Qual und Tal 

verhunzt und auch besudelt 

steril auch eingefroren 

wortlos ganz erstarrt 

das was verloren geht 

das hat die Gegend hier zu sagen 

die Liebe ganz des Rheins 

bei all dem was sich alles 

hochgestachelt nur gezüchtet 

 

Kinderseelen nicht zu treten 

 

Das ist das Vermächtnis 

hier des Rheins. 

 

Das ist das Erbe. 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 118

Juni 12th, 2007

Und zuckt die Nacht

auch schwarz hier auf

mit Hagel, Donner

Blitz und Regen

am hellen Tag

der Goldlack lacht

an alten Schieferwänden

kriecht er hoch empor

wächst in den Fugen, Ritzen

am Kühlberg hier

am alten Turm

wo wilde Bienen schwirren

blüht leuchtend golden

feurig gelb er

in seinem Duft

da atmet ganz

die Sonne und der Sommer sich

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 117

Juni 12th, 2007

Die Gewitter gingen eh sie kamen 

und manchmal blieben sie 

zurückgeprallt vom hohen Soonwald 

waren sie plötzlich wieder da 

und schwarz der Himmel 

zuckten Blitze überm Tal 

auf den Höhen pfiff der Wind 

und Wassermassen strömten 

von den steilen Bergen 

und manchmal Schlamm 

und Weinberg noch dazu 

die Türme und die Burg 

Ruine und Kapelle 

die Blitze zuckten 

ganz gespenstisch sie 

und waren meistens nachts 

das Licht ging aus 

die Kerze stand bereit 

und auf den Schieferdächern 

wusch der Regen 

den Staub vom heißen Sommertag 

die Gullis stauten, überfüllten sich 

und an den Häuserwänden 

klatschte naß es stark 

doch war dies alles nichts 

es war als ob die Luft zerriߠ

der Atem stockte 

als ob für immer ausgesetzt 

eh dann der Blitz 

die Spannung brach 

und in den Felsen krachte Donner 

im Echo dröhnend stärker sich ins Tal 

als je auf flachgestreckten Höhen 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 116

Juni 11th, 2007

Und du hüpftest in den Himmel

wunderbar

ein, zwei, drei kein gemeinsamer Tanz

und der Dom da von Venedig

ging da unter ganz im Wasser

und am leeren Strand von Costinesti

löschten sich die Spuren ganz im Sand

und in dem antiken Theater vor den großen Säulen

an der Küste Libyens nahe Tripolis

spielen Schatten nun den Totentanz

und du hüpftest in den Himmel

wunderbar

und die Seine weinte

Notre Dame zog sich den Trauerflor

über Engel, Kapitele und Portal

und du hüpftest in den Himmel

wunder-bar

und du hüpftest in den Himmel

flügellos

und du fielst ganz tief

niemand fing dich auf

Engel waren nicht zur Stell

eins, zwei, drei kein gemeinsamer Schrei

oder fielst du stumm

wortlos stürzt du dich

oder schriest du auf

unsre Erde fängt nicht auf

was sich stürzt hinab zu ihr

Studentin der Germanistik Tänzerin hier

Träne im Aug der Madonna

leicht wie der Distel Samen

allzu früh zersaust im Wind

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 115

Juni 11th, 2007

Man hat geköpft 

ganz kurz und bündig 

den Gottesgnadenstuhl 

Kopf ab kurz um 

 

 

und Fenster reingemacht 

wo vorher Gott noch saߠ

 

 

nachts siehst du oben auf der Galerie 

draußen zwischen lauter Schiefersäulchen 

 

 

die Engel durch die engen Gänge wallen 

sie suchen diese Kirche auf 

 

 

die blinden Augen Gottes 

hat man hier versteckt 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 114

Juni 11th, 2007

Alles fuhr und zog hier nur vorbei

Züge ratterten, Schiffe dröhnten

Autos hupten, Wolken zogen

Flugzeuge zerrissen

im Überschall den Himmel auf

 

und blieb doch alles stehen hier

unberührt von allem

 

die Fremde zog vorbei

das war hier immer so

 

 

ob auch das  „Erbe“

solche Fremde ist ?

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 113

Juni 11th, 2007

Tauben flogen durch die enge Gaß

flatterten am Himmel weiß

auf den grauen Dächern

zeugten von der Ferne ganz

wie die Schwalben von dem Süden

 

 

nachts da schien

der Mond hinein

in die enge Kammer

alle Lichter gingen aus

nur sein bleicher Schein

tanzte an den Häuserwänden weiß

 

 

Herr der Gasse

war die Rotte

die nun aus der Rappel

aus den Gullis kamen

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 112

Juni 11th, 2007

Ach das Schweigen ist mir nah

in ganz fremden Texten

denn ich hatte keine Sprache nicht

wie soll ich auch nennen

wofür ich heut noch keine Wort

Sprache war mir stets verdächtig

in den Fibeln fuhren sie Roller

in denselben Bildern fast

wo sie eben Fähnchen noch

mit Runen hielten

meine Kinder fingen an modern sogar

mit SS

auf und ab nie paßt ein

Tüpfelchen dann oben drauf

 

 

welche Sprache sprichst du zeigt

welche Welt du bist, welche

Haut ist dir geworden, was

an Atem pocht darin oder

ist glasiert nur Tand

große Reden schwingen

auf die Schulter kloppen ist ganz leicht

die die nicht verrieten hatten eine

Sprache die die nicht verstanden

denen sie ganz nah doch war

 

 

Wahrheit liegt in einer Schale

die oft nicht zu knacken ist

über’s Pflaster rollen Wallnüß

noch in ihren grünen Schoten

färbt ganz gelb die Finger

und die zarten weiche weiße Nüß

zieh erst ab die Haut die bitter

wie Kastanien waren sie versteckt

irgendwann da platzen alle Schoten

alles kommt hervor was da

eingeigelt sich zuviel

Worte das sind grüne Stacheln

Igel listig kleine Äuglein

brennend ganz am Feuer eines Raben

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 111

Juni 10th, 2007

Unnergaß das war Kultur
Delle Marie wusch die Haare
heiße Brötchen durch die enge Gaß
Quetschekuchen, Weihnachtsplätzchen
alles dampfte auf dem Blech
 

Klickerspielen im Gewäckelten
zwischen groben Pflastersteinen
Gras und Erde, Riesentäler
 

und im Kranenturm
wie eine fremde Welt
wurd gefeiert und gezecht
 

vor den Kellern hielten Bütten
ganz voll Trauben warten sie
ehe da gekeltert griff man zu
 

ebenso da hackte man
mit spitzen Steinen oder rost’gen Nägeln
Kratzer sich und Stücke
hinweg von den Stangen ganz aus Eis
die mit Pferden angefahren kamen
 

Wolken sah man schmal den Himmel
Sonne fiel nicht ganz in die enge Gaß
die gewölbt sich buckelt hoch
eh sie zu den Toren jeweils hinfällt flach
 

kam einer dahergeschritten
hörte man das auf dem Pflaster gut
Kinder kreischtem, Alte feilschten
alle tratschten, Neuigkeiten waren stets schon alt
Ehepaare schrien, keiften, stritten sich
 

und dazwischen ganz geschäftig noch
das Scheppern, Klappern und das Hämmern
Sägen, Flaschenklirren
 

hörte singen auch dann noch ein Lied
eine alte Frauenstimme sang’s
irgendwas von der Madonna,  die sich
soll erbarm über all die Menschen hier
in den engen Gassen, wo die
Schiffer und die alte SPD noch war
 

ach was war dagegen
die Oberstraße flau und matt
geschäftig immer nur ein müdes Treiben
glatt und ohne anzuhalten
jeder aufgesetzt ne feine Miene
für Touristen die nur hier
keiner sah zum Fenster raus
unrasiert mit wilden Haaren und zersaust
 

nur erschrak man in der Unnergaß
stets hielt ich den Atem an
wenn zum Schlachten wurden getrieben
die Schweine in ein enges Seitengäßchen rein
und sie rochen dann den Tod
und sie quieckten, quiekten
jämmerlich ganz schrill und laut
all die feinen Schnitzel
 

und der Metzger
auch bald weg
heiße Fleischwurst dann
geschweißt in Plastik
 

und der Geruch von Fisch
bei Reuters Anna
Schellfisch mit der
Soße ganz aus Senf
 

und die alte Kilsbach
Obst, Gemüse, frische Erdbeer’n
schreibt mit Kreide
nicht mehr auf die Tafel
Rechnung und die Preise
 

und der Milchladen an der Eck
schöner noch als Rüdesheim je war
in die Becher goß sich Milch
schoppenweise aus den Kannen
und dem großen Eimer auch
 

gläsern in der Kanne
wurde Bier noch auch geholt
 

Wasser in den Eimern
aus den alten Brunnen noch
wenn die Leitung war versiegt
 

Hochwasser fand hier
zuerst dann statt
 

in den Toren, Türmen
stand es hoch
 

denn der Rhein er weiß
welche Gaß er liebt
 

nie wird sein
auch nicht bei allem Erbe
mag es dann auch noch soviel umfassen
Denkmal, Städte, Täler, Berge
daß da Unnergaß und Obergaß
je da werden eine Welt

 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 110

Juni 10th, 2007

Kultur ist nicht 

das was du liest 

ist was aus der Haut 

dir sprießt 

was du selber bist 

dein Fühlen, Tasten 

was ins Aug dir tritt 

wenn du öffnest dich 

Licht fällt ein 

Ahnung 

heil und ganz zu sein 

 

 

* * * * * 

 

 

Lesen ist nur Suchen 

unumgänglich 

 

Findung ist 

das alles zu vergessen 

 

so erwacht 

der toten Buchstab Sinn 

 

das was du gelesen hast 

ist abwesend und doch da 

 

es kommt hinzu 

 

ganz ungeplant 

ungezwungen Leere 

 

dies das wußten stets die Fischer hier 

alle Netze sind nur blind 

 

Zu-fall ist der Fang ganz aus der Tiefe