Archive for Juni, 2007

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 122

Mittwoch, Juni 13th, 2007

Es ist das Tal des Blinden 

er hat ganz das Erbe 

das so nicht sichtbar ist 

fühlt die Sonne ganz 

den heißen Schiefer 

und die trockne Luft 

abends frischt da auf 

kühl der Wisperwind 

riecht den Rhein 

kurz vor dem Regen 

die Veilchen 

die alte Linde und 

den Maienduft 

hört all die Stimmen 

im Geklapper und Gezänk 

hört das Schweigen 

auf den Mauern ruhen 

hört die Schiffe tuckern 

und er weiߠ

welches Schiff da fuhr 

seine Schritte kennen 

jeden Pfad hier an dem Strom 

jeden Stein wo er könnt stolpern 

und mit weißem Stock 

und gelber Binde 

dreifach schwarzgepunktet 

mit der Schiffermütze 

auf dem Kopf 

durch die Kriege 

und die Nachkriegszeit 

Freiheit marschiert 

im Geiste mit 

Knippes nimm ihn an den Arm 

und Schritt für Schritt 

lern sehen so wie er 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 121

Mittwoch, Juni 13th, 2007

Und die Schneck im Weinberg

die da trägt ihr Haus

täglich mit sich rum

nass und träge

glitscht sie über all

den flachen Schiefer

unbeweglich fast

müde und ganz lahm

streckt sie ihre Fühler aus :

 

Ist heut wieder wer

wer kommt

sagt daß wir

ganz Erbe sind

oder ist es

wieder so

wie es sonst auch ist

Kunst bewegt zur Toleranz — Heine 120

Mittwoch, Juni 13th, 2007

                                          für Rolf    * 13.6.1937
Dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
Nebel ümhüllt ihre Dächer
Türme schauen noch raus
rabenbesetzt
dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
die Weiße zieht sich immer dichter
über Mauern, Gassen hin
ein alter Fährmann
stakt noch schwarz im Nebel
und ruft  “ Hol über “
wie aus einer andern Welt
und schlägt dreimal
eine Eisen gegen einen Pfosten
so daß es klingt ganz hohl und leer
da kommt ein Nachen dann daher
der Tod mit schwarzem Kahn
hält an dem Ufer an
und in den Gärten schweigt es
wie auch in der Stadt
da tönt die Totenglocke dumpf
ganz monoton in einem Takt
der schwer und langsam
unbeirrt und unerbittlich
als ob da stumpfe Schritte
auf dem leeren Pflaster hallen
wie schwere Regentropfen auf dem Dach
und von den Bergen schreit
ein Käuzchen dreimal klagend
dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
Nebel umhüllt ihre Dächer
und du hörst keinen Laut
ein Schweigen umhüllt sie
ein Hören ganz kurz
in die unfaßbare Stille
nachdem der letzte Schlag
der Totenglocke war verklungen
und für immer war verhallt
der Atem eines ganzen Lebens
 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 119

Dienstag, Juni 12th, 2007

Hat die Kultur hier auch 

ein Vermächtnis ? 

bei aller Stauferei 

Wernerkult und Knabenliebe 

in all der Enge hier 

bei Gezeter und Geschrei 

bei Öde auch und auch Provinz 

Touristemstrom und Sommerhitze 

Kassenbon und Werbetrommelei 

Saufen, Schlürfen oder Nippen 

Schiffe tuckern da vorbei 

Züge rollen 

auf den Gassen 

fallen Groschen auf das Pflaster 

hüllt die Romantik alles ein 

in Ritter, Raub und Loreley 

in Mondschein und in Dämmerschoppen 

Denkmal, Qual und Tal 

verhunzt und auch besudelt 

steril auch eingefroren 

wortlos ganz erstarrt 

das was verloren geht 

das hat die Gegend hier zu sagen 

die Liebe ganz des Rheins 

bei all dem was sich alles 

hochgestachelt nur gezüchtet 

 

Kinderseelen nicht zu treten 

 

Das ist das Vermächtnis 

hier des Rheins. 

 

Das ist das Erbe. 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 118

Dienstag, Juni 12th, 2007

Und zuckt die Nacht

auch schwarz hier auf

mit Hagel, Donner

Blitz und Regen

am hellen Tag

der Goldlack lacht

an alten Schieferwänden

kriecht er hoch empor

wächst in den Fugen, Ritzen

am Kühlberg hier

am alten Turm

wo wilde Bienen schwirren

blüht leuchtend golden

feurig gelb er

in seinem Duft

da atmet ganz

die Sonne und der Sommer sich

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 117

Dienstag, Juni 12th, 2007

Die Gewitter gingen eh sie kamen 

und manchmal blieben sie 

zurückgeprallt vom hohen Soonwald 

waren sie plötzlich wieder da 

und schwarz der Himmel 

zuckten Blitze überm Tal 

auf den Höhen pfiff der Wind 

und Wassermassen strömten 

von den steilen Bergen 

und manchmal Schlamm 

und Weinberg noch dazu 

die Türme und die Burg 

Ruine und Kapelle 

die Blitze zuckten 

ganz gespenstisch sie 

und waren meistens nachts 

das Licht ging aus 

die Kerze stand bereit 

und auf den Schieferdächern 

wusch der Regen 

den Staub vom heißen Sommertag 

die Gullis stauten, überfüllten sich 

und an den Häuserwänden 

klatschte naß es stark 

doch war dies alles nichts 

es war als ob die Luft zerriߠ

der Atem stockte 

als ob für immer ausgesetzt 

eh dann der Blitz 

die Spannung brach 

und in den Felsen krachte Donner 

im Echo dröhnend stärker sich ins Tal 

als je auf flachgestreckten Höhen 

 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 116

Montag, Juni 11th, 2007

Und du hüpftest in den Himmel

wunderbar

ein, zwei, drei kein gemeinsamer Tanz

und der Dom da von Venedig

ging da unter ganz im Wasser

und am leeren Strand von Costinesti

löschten sich die Spuren ganz im Sand

und in dem antiken Theater vor den großen Säulen

an der Küste Libyens nahe Tripolis

spielen Schatten nun den Totentanz

und du hüpftest in den Himmel

wunderbar

und die Seine weinte

Notre Dame zog sich den Trauerflor

über Engel, Kapitele und Portal

und du hüpftest in den Himmel

wunder-bar

und du hüpftest in den Himmel

flügellos

und du fielst ganz tief

niemand fing dich auf

Engel waren nicht zur Stell

eins, zwei, drei kein gemeinsamer Schrei

oder fielst du stumm

wortlos stürzt du dich

oder schriest du auf

unsre Erde fängt nicht auf

was sich stürzt hinab zu ihr

Studentin der Germanistik Tänzerin hier

Träne im Aug der Madonna

leicht wie der Distel Samen

allzu früh zersaust im Wind

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 115

Montag, Juni 11th, 2007

Man hat geköpft 

ganz kurz und bündig 

den Gottesgnadenstuhl 

Kopf ab kurz um 

 

 

und Fenster reingemacht 

wo vorher Gott noch saߠ

 

 

nachts siehst du oben auf der Galerie 

draußen zwischen lauter Schiefersäulchen 

 

 

die Engel durch die engen Gänge wallen 

sie suchen diese Kirche auf 

 

 

die blinden Augen Gottes 

hat man hier versteckt 

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 114

Montag, Juni 11th, 2007

Alles fuhr und zog hier nur vorbei

Züge ratterten, Schiffe dröhnten

Autos hupten, Wolken zogen

Flugzeuge zerrissen

im Überschall den Himmel auf

 

und blieb doch alles stehen hier

unberührt von allem

 

die Fremde zog vorbei

das war hier immer so

 

 

ob auch das  „Erbe“

solche Fremde ist ?

Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 113

Montag, Juni 11th, 2007

Tauben flogen durch die enge Gaß

flatterten am Himmel weiß

auf den grauen Dächern

zeugten von der Ferne ganz

wie die Schwalben von dem Süden

 

 

nachts da schien

der Mond hinein

in die enge Kammer

alle Lichter gingen aus

nur sein bleicher Schein

tanzte an den Häuserwänden weiß

 

 

Herr der Gasse

war die Rotte

die nun aus der Rappel

aus den Gullis kamen