In den Blüten des Weißdorns
der Frühling am Rhein
die Hänge hinab
wo alles wuchert
noch wild
Weinberge zugeheckt
traubenlos schon längst
die Blindschleiche
erobert sich wieder
ihr Terrain
In den Blüten des Weißdorns
der Frühling am Rhein
die Hänge hinab
wo alles wuchert
noch wild
Weinberge zugeheckt
traubenlos schon längst
die Blindschleiche
erobert sich wieder
ihr Terrain
Eine Liebe groß und schwer
sagt der Rhein
ich trage sie
durch die Felsen hindurch
vom Gebirge bis zum Meer
strömt sie
an wieviel Klippen vorbei
sie geht nicht unter
in keinem Strudel und Sog
eine Liebe groß und schwer
sagt der Rhein
gespeist von den Nebenflüssen
gespeist von denen die sich
stürzten in mich
für immer
aus dem Leben heraus
in die Tiefe
weil ihnen
alles gefror
zwei Kammern
hat ein Herz ja nur
eine Liebe groß und schwer
sagt der Rhein
ich trage sie
durch die Felsen hindurch
strömt sie
an wieviel Klippen vorbei
in das Meer des Vergessens
strömt, stürzt sie hinweg
ohne Ankunft und Ufer
Es ist das Tal des Blinden
er hat ganz das Erbe
das so nicht sichtbar ist
fühlt die Sonne ganz
den heißen Schiefer
und die trockne Luft
abends frischt da auf
kühl der Wisperwind
riecht den Rhein
kurz vor dem Regen
die Veilchen
die alte Linde und
den Maienduft
hört all die Stimmen
im Geklapper und Gezänk
hört das Schweigen
auf den Mauern ruhen
hört die Schiffe tuckern
und er weiߠ
welches Schiff da fuhr
seine Schritte kennen
jeden Pfad hier an dem Strom
jeden Stein wo er könnt stolpern
und mit weißem Stock
und gelber Binde
dreifach schwarzgepunktet
mit der Schiffermütze
auf dem Kopf
durch die Kriege
und die Nachkriegszeit
Freiheit marschiert
im Geiste mit
Knippes nimm ihn an den Arm
und Schritt für Schritt
lern sehen so wie er
Und die Schneck im Weinberg
die da trägt ihr Haus
täglich mit sich rum
nass und träge
glitscht sie über all
den flachen Schiefer
unbeweglich fast
müde und ganz lahm
streckt sie ihre Fühler aus :
Ist heut wieder wer
wer kommt
sagt daß wir
ganz Erbe sind
oder ist es
wieder so
wie es sonst auch ist
für Rolf * 13.6.1937
Dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
Nebel ümhüllt ihre Dächer
Türme schauen noch raus
rabenbesetzt
dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
die Weiße zieht sich immer dichter
über Mauern, Gassen hin
ein alter Fährmann
stakt noch schwarz im Nebel
und ruft “ Hol über “
wie aus einer andern Welt
und schlägt dreimal
eine Eisen gegen einen Pfosten
so daß es klingt ganz hohl und leer
da kommt ein Nachen dann daher
der Tod mit schwarzem Kahn
hält an dem Ufer an
und in den Gärten schweigt es
wie auch in der Stadt
da tönt die Totenglocke dumpf
ganz monoton in einem Takt
der schwer und langsam
unbeirrt und unerbittlich
als ob da stumpfe Schritte
auf dem leeren Pflaster hallen
wie schwere Regentropfen auf dem Dach
und von den Bergen schreit
ein Käuzchen dreimal klagend
dort liegt sie im Schlaf
die versunkene Stadt
Nebel umhüllt ihre Dächer
und du hörst keinen Laut
ein Schweigen umhüllt sie
ein Hören ganz kurz
in die unfaßbare Stille
nachdem der letzte Schlag
der Totenglocke war verklungen
und für immer war verhallt
der Atem eines ganzen Lebens
Hat die Kultur hier auch
ein Vermächtnis ?
bei aller Stauferei
Wernerkult und Knabenliebe
in all der Enge hier
bei Gezeter und Geschrei
bei Öde auch und auch Provinz
Touristemstrom und Sommerhitze
Kassenbon und Werbetrommelei
Saufen, Schlürfen oder Nippen
Schiffe tuckern da vorbei
Züge rollen
auf den Gassen
fallen Groschen auf das Pflaster
hüllt die Romantik alles ein
in Ritter, Raub und Loreley
in Mondschein und in Dämmerschoppen
Denkmal, Qual und Tal
verhunzt und auch besudelt
steril auch eingefroren
wortlos ganz erstarrt
das was verloren geht
das hat die Gegend hier zu sagen
die Liebe ganz des Rheins
bei all dem was sich alles
hochgestachelt nur gezüchtet
Kinderseelen nicht zu treten
Das ist das Vermächtnis
hier des Rheins.
Das ist das Erbe.
Und zuckt die Nacht
auch schwarz hier auf
mit Hagel, Donner
Blitz und Regen
am hellen Tag
der Goldlack lacht
an alten Schieferwänden
kriecht er hoch empor
wächst in den Fugen, Ritzen
am Kühlberg hier
am alten Turm
wo wilde Bienen schwirren
blüht leuchtend golden
feurig gelb er
in seinem Duft
da atmet ganz
die Sonne und der Sommer sich
Die Gewitter gingen eh sie kamen
und manchmal blieben sie
zurückgeprallt vom hohen Soonwald
waren sie plötzlich wieder da
und schwarz der Himmel
zuckten Blitze überm Tal
auf den Höhen pfiff der Wind
und Wassermassen strömten
von den steilen Bergen
und manchmal Schlamm
und Weinberg noch dazu
die Türme und die Burg
Ruine und Kapelle
die Blitze zuckten
ganz gespenstisch sie
und waren meistens nachts
das Licht ging aus
die Kerze stand bereit
und auf den Schieferdächern
wusch der Regen
den Staub vom heißen Sommertag
die Gullis stauten, überfüllten sich
und an den Häuserwänden
klatschte naß es stark
doch war dies alles nichts
es war als ob die Luft zerriߠ
der Atem stockte
als ob für immer ausgesetzt
eh dann der Blitz
die Spannung brach
und in den Felsen krachte Donner
im Echo dröhnend stärker sich ins Tal
als je auf flachgestreckten Höhen
Und du hüpftest in den Himmel
wunderbar
ein, zwei, drei kein gemeinsamer Tanz
und der Dom da von Venedig
ging da unter ganz im Wasser
und am leeren Strand von Costinesti
löschten sich die Spuren ganz im Sand
und in dem antiken Theater vor den großen Säulen
an der Küste Libyens nahe Tripolis
spielen Schatten nun den Totentanz
und du hüpftest in den Himmel
wunderbar
und die Seine weinte
Notre Dame zog sich den Trauerflor
über Engel, Kapitele und Portal
und du hüpftest in den Himmel
wunder-bar
und du hüpftest in den Himmel
flügellos
und du fielst ganz tief
niemand fing dich auf
Engel waren nicht zur Stell
eins, zwei, drei kein gemeinsamer Schrei
oder fielst du stumm
wortlos stürzt du dich
oder schriest du auf
unsre Erde fängt nicht auf
was sich stürzt hinab zu ihr
Studentin der Germanistik Tänzerin hier
Träne im Aug der Madonna
leicht wie der Distel Samen
allzu früh zersaust im Wind
Man hat geköpft
ganz kurz und bündig
den Gottesgnadenstuhl
Kopf ab kurz um
und Fenster reingemacht
wo vorher Gott noch saߠ
nachts siehst du oben auf der Galerie
draußen zwischen lauter Schiefersäulchen
die Engel durch die engen Gänge wallen
sie suchen diese Kirche auf
die blinden Augen Gottes
hat man hier versteckt