Plötzlich fiel über die Stadt eine Magie. Die alte Aula, ein Grab, Tonnengewölbe, bekam neue Lichtschächte. In die Dunkelheit wurde geflößt ein Erinnern. Erinnerungskultur nannte sich das. Es sprießte hervor genauso wie das Mathematikum Der Name des Unipräsidenten war jetzt eine Straße im Krankenhausbereich. Sie teeren noch immer. Schau dir den Marktplatz an. Alles schwarz. Bushaltewartestationen im Neonlicht. Die Magie dieser Stadt zaubert aus der Kälte ein fahles Licht. Es ist die Kulisse, wo nie ein Gespräch fand statt. Die Stunde der Dunkelmänner naht, die sich schmücken mit der bleichen Krone der Sterilität. Usinger kommt dahergeschritten, ein vergessener Bienenkönig und pflanzt in die Poesie sechseckige Waben. Heilige Bienen schwirren um die Glaspaläste. Ein Seeigel tanzt auf dem Elefantenklo. Stachellos geworden.
Archive for Mai, 2007
Gelle
Montag, Mai 7th, 2007Gi 15
Montag, Mai 7th, 2007In diesen Städten
wo man nichts mehr glaubt
Theater spielen
wo man alles glaubt
Gi 14
Montag, Mai 7th, 2007Aus der Lahn
hüpfen die Fische
zungenlos
Bewohner Flutgraben 4
Montag, Mai 7th, 2007Durchwandert wieder die Wohnungen. Wohngemeinschaften, die es gar nicht mehr gibt. Die ersten Prozesse geführt. Gedichte der Stille. Ein Zimmer wird leer. Man fragt dich, wer einziehen soll. Du entdeckst, du wohnst da ja noch immer und warst schon lange nicht mehr dort, fast ein Leben und hast da immer noch ein Zimmer. Wie lange wohnst du nicht mehr darin ? Vergessen wie damals so vieles. Namen, Schall, Preßlufthämmer, Rauch. Doch die Gesichter sind alle noch da. In welchen Abbrißhäusern wohnst du noch ? Gibt es Adressbücher dafür ? Glattgewalzt oder Parkhäuser geworden, im Traum betrittst du sie noch, bist immer noch hier.
Beständigkeit
Montag, Mai 7th, 2007Ein Flittertier
das flittert immer zu
es schlittert
durch Kontakte
und ist es hier
da hüpft’s schon
es schaut dich an
sieht schon den andern
ein Flittertier
es flittert immer zu
es schlittert Nähe
nach Bedarf
und zittert
wenn es länger
noch verharren muß
ein Flittertier
es flittert, schlittert
wittert immer zu
ist weg dir
schon im Nu
und ist es hier
da ist’s auch schon
wieder durch die Tür
und niemand hält es
kennt es, denn
das wäre schrecklich für das Tier
zu sein einfach nur hier
An Usinger
Montag, Mai 7th, 2007Der Nacht-Rab
Beendet ist der Sang.
So fingst du deinen
Nach-trab an
was hier noch folgt
das war schon immer da
das Flügellose ungefügt
schwirrt hell
unsichtbar im Gesang
weiße Steine rollen
über Fels und tote Schlangen
unaufhörlich endlos hin
graswurzellos
nisten die Raben
in den Nischen der Götter
auf weißem Marmor
hüpfen sie schwarz
krallen die losen Buchstaben
im Wind treiben verlorene Worte
mit Flügeln zu schlagen
das Unsagbare
die Liebe ist immer der Anfang
fliegen sie über Asche und Staub
zu den grünen Sibyllen hin
Im Tal der Raben
Sonntag, Mai 6th, 2007Angekommen wächst Stille aus den Felsen.
Der Schmerz dahin.
Er hob sich nicht hinweg.
Er war abwesend und doch da.
Hier sprach aber niemand mehr.
Hier hörte das Gras man wachsen.
Das in die Erde hineinwuchs vom Himmel her.
Die Wolken, die vorrüberzogen, waren Gespräche, die niemand mehr führt.
Leere Wolkenschiffe hafenlos.
Nichts ankerte mehr im Himmel.
Masten brachen um.
Krähen flogen durch weiße Segel.
Weiße Segel fingen all das Schweigen.
Unterbrochen nur vom Gekrächze der Krähen.
Nichts fingen die Netze mehr auf.
Die Vogelfänger waren arbeitslos, ebenso die Fallensteller.
Die Jagd war vorbei.
Kein Schuß fiel in der Stille.
Es gab zu jagen nichts mehr.
Nicht einmal Schatten.
Die Sonne blendete, nachts der Mond.
Der Fels kühlte die Füße.
Barfuß ging man durch Distel und Dorn.
Pfade, keine Wege.
Pfade, die ausgetreten nur von einem selbst.
Einsame Pfade, in der Irre umher,
auf denen niemand mehr folgte.
Nicht einmal der eigene Schatten.
Pfade, die sich niemals mehr kreuzten.
So floh man von und vor sich.
Es gab keine Ferne, die Ankunft war.
Keine Nähe, die je Ausgangspunkt.
Man verspürte die Lust, den Bogen zu spannen,
dessen Pfeil man selber war.
Doch fehlte jegliches Ziel.
Erinnerung war noch in den samtenen Unterseiten
der Blätter blaugeädert.
Doch es war windstill, nicht einmal die Weiden zuckten.
Genau richtig, um langsam zu lernen,
die Leere auf Händen zu tragen.
Wer hier hin kommt, hat alles hinter sich.
Und das ist gut so.
Die Zählmaschinen aussortiert.
Nur hier tasten die Worte noch das,
aus dem sie einst wuchsen.
Archaische Frühe, die sich nicht verblendet.
Aber auch nie stille steht.
Die immer da ist.
Abwesend.
Zu ihr hin entwickelt sich alles immer wieder auf’s neu.
Die Schlangen wissen es und die Eidechsen.
Sie häuten sich.
Streifen die Hülsen ab, die Häute,
in denen sie doch atmen die Sonne, den Mond.
Wörter abstreifen wie man Kleider ablegt,
die nicht für einen gemacht.
Nicht verkürzen, verlängern.
Ablegen.
Im Tal der Raben hat man alles abgelegt.
Selbst die Vorstellungen darüber.
Die Gegensätze pochen nicht mehr.
Fessel und Freiheit sind eins.
Ankunft und Abwesenheit auch.
Du bist fern und nah zugleich.
Du bist meine Härte, sagt das Blatt.
Und du bist mein Schweben, sagt der Fels.
Worte ihr seid meine Finger, Messer nicht mehr.
Du bist mein Wort
sagt der taubstumme quarzgeäderte Schiefer.
Da lachen die Raben. Brennesselblätter im Schnabel.
Denn sie tragen alles auf Flügel,
Schwere und Schwärze der Erde, die Sonne zugleich. krr krr krrr .
Durch die Leere der Luft fliegen sie ihr Gekrächze,
erschrecken den Wind,
durchkreuzen die Nacht,
ihr schwarzes zarte Gefieder
berührt die einsame Mondsichel
am fernen Horizont.
Flügelschlag der Stille.
Im Tal der Raben wart ich auf dich.
Komm.
Ich bin da.
Pfadlos.
Ohne Worte.
Ein Rabe sitzt auf meiner Schulter.
Sieh ihn an.
Er hat deine Augen.
Sein Gefieder dein Haar.
Deine schwarzen Zotteln sind länger geworden,
hängen tiefer dir im Gesicht,
bedecken deine Stirn,
deine Augen stechen durch sie
deinen unwiderstehlichen Blick.
Schlag unter deine Flügel mich ganz.
Meister der Teezeremonie
Sonntag, Mai 6th, 2007Ein Leben lang übte er sich darin.
Er trank Tee aus einer Tasse.
Ganz normal. Ganz einfach.
Schimpfte das Kind, das den Kaiser immer nackt sieht.
Ja ungeziert.
Poetologisches Tagebuch
Sonntag, Mai 6th, 2007Nun ist er
Stein geworden, Wind
und er schaut
in eine andre Zeit
schaut nicht mehr
zurück
bindet mit Bast
nicht mehr die Reben
die Jagd ist vorbei
das Wild
längst schon erlegt
die schwarzen Flecken
aus den Spiegeln
ganz entfernt
nichts klebt mehr
kleistert oder glitzert
sieht das Gras
wurzellos die Halme
abgemäht
nun ist er
Stein geworden, Wind
und er schaut
aus seiner Zeit
Raben tragen
seine toten Tage
in die Sonne
ganz hinein
Theater
Samstag, Mai 5th, 2007Fremde Rollen
zu spielen
aber wie
wo alles
doch spielt
Entfremdung
rollt immerzu
Ent-fremdung was für ein Wort
eigentlich hieß es doch Nähe
Ent-eisung Ent-grenzung
die eigene Rolle
was wäre das
gab es die je
sich zu sein
nicht nur momenthaft
am Ende im Applaus
in welchem Bühnenbild
bist du zu Haus
setz die Maske auf
ich will dich sehen
dies ist der Dolch der Muse
Haut und Maske sind eins
ungeschminkt
der Mond dort ist mein blindes Aug
die Raben meine Schreie
und die abgefallenen Äste
meine Liebe zu dir