Kunst bewegt zur Toleranz – Heine 99

Früh beleckt, antikes Erbe hier
nicht nur Gladiatoren
sondern Sinne auch und auch Geschmack
herrlich Glas ganz durchsichtbar
und zerbrochen Diatret

Götter kamen aus dem fernen Osten
Mithridates, Isis, Jesus auch
römisch Marmor glatt und hell
nicht so grau wie Schiefer

griechisch Feuer   tiefer Atem
und auch heute aphroditisch nackt
deine Haut mir, schau nicht hin
fühle nun das Erbe ganz
 

 

als wir zimmerten noch Hütten
dumpf und nass roch das Gebälk
wenn der Regen über Stroh hinfloß
 

bauten sie in Stein
war gebrannt aus Lehm und Ton
Ziegel nannten sie solch tegula
 

wohnten sie in künstlich Fels
Höhlen selbst gemacht aus Stein
 

hatten Leder an und viel Textil
schwarze Haare glatt geschnitten
 

schauten uns wie Götter an
unsre Kraft war wildes Vieh
Schweiß und rote, blonde Haare
 

gingen nackt nur in die Thermen
weiß bekittelt mit Sandalen
wuschen sich wie nie
aßen Trauben tranken Wein
 

gingen dann wie Ameisen daher
Reihen, Schilder und Fanfaren
 

unsre Hunde bellten wild
unsre Frauen hätten uns verlacht
wenn wir so stolziert placiert dahergeschritten
so gedrillt Adler bleiern aufgesetzt
Vogelköpfe ganz im Nacken
 

 

 

später dann die Blechlawinen
unsre Ritter hatten selber dann
ein Reich römisch auch genannt
und die Pfaffen nicht mehr so wie heut
lateinisch Buchstab konnten lesen und gar schreiben
 

unser wilder Haufen wurde dann Nation
in der Völkerwanderung
hätten wir es fast verpaßt
nur die Frankenkrone und die Religion
halfen uns,  daß wir nun
mehrere Reiche hinter uns dann schon
 

heute ist uns alles Erbe
hat der Erbfeind auch gewechselt
oder gibt es sowas gar nicht mehr
hie Welf hie Stauf hie Konfession
alles ging dahin und auch daher
 

zahlten aber Zoll noch vorher kräftig
wir verdienten an dem Wasser in dem Rhein
mehr als jemals nur am Wein
alles mußte  hier hindurch
Turnosen und Tribute
prägten den Gewinn in Münzen fein
 

als die Felsenwasserstraße hier des Rheins
brachte nichts mehr ein
fuhren über Land nun Waren
unsre Zollburg gar Ruine
kam rechtzeitig die Romantik angereist
rettend uns aus aller Not
und aus aller Welt
lotste sie Touristen her
 

setzte auf den kalten Stein
eine nackte Frau mit goldnen Haaren
und die kämmte immerzu
Locken sich um zu verlocken
 

und die fremden Groschen gingen unter
fielen tief in unsre Kassen
und wir lernten immer schneller
nur zu werben und zu zocken
 

jetzt ist wieder Stille angesagt
sanft Tourismus und auch zu
verschonen Fledermaus und Wichtelbär
 

 

 

und wir wickeln alle Fisch
in Prospekte Glanzpapier
 

daß da nur kein Kratzer sei
in dem Erbeeinerlei
 

alles ist nur Zellophan
niemand reißt mehr auf die Stille
 

daß in allem Schein und Glanz
tanzt ein freier Wille ganz
 

Herwegh ruft uns zu :
 

“ Der Freiheit eine Gasse
in der Welterbetasse “
 

Bischof Hatto mahnt dazu :
 

„Wie die Mäus gefangen
unter einer Käseglock
alles wittert nur den Speck
doch kommt nicht vom Fleck “
 

 

über dieses Land gestülpt
Reiche, Toteninseln und Fanfaren
Utopisten, Revolutionäre hingeschritten
und die alten gestrigen dann auch
falscher Sagen gibt’s kein Mangel
 

wenn ein Erbe uns dann ist Kultur
daß wir selber mitbestimmen unsre Spur

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