Hölderlin du
Bruder in Stumme und Fels
von Göttern geführt hinab
den pindarischen Pfad
hast du die Helle gesehen
durch die Gewitter hindurch
blitzte das Morgen dir auf
Diotima Pythia lebt
wild blüht der Lorbeer
weit blickst du ins delphische Tal
und kehrst zur Kastalischen Quelle zurück
am Hang des Parnassos
wie oft bist du geschritten im Traum
im dunklen Efeu sahst du
und branntest ein Feuer tief in die Nacht
Schatten da zuckten und stumm
legte sich Schweigen auf Fels
was in den Fesseln sich wälzt
Stimme war’s des freigeborenen Stroms
was aber spaltet die Erde, zerreißt
und stürzt schlangengleich
sich durch Täler und Berge hinweg
städtegründend und Rebenhänge
flutenzerbrechend Dämme entzwei
nichts das da zähmt neu Ufer zu schaffen
brückenlos Abgrund und doch Findung zugleich
trümmerlos starkausdauernd kräftiger Sinn
zu fühlen teilnehmend ein anderer zu sein
aus heiliger Fülle der Weingott speist er die Raben
entweiht die Knechtschaft schlägt mit Blindheit
die sich erhitzen nur ergötzen und ergrellen
mühelos schenkt er den Himmel und legt
auf die Schultern Helle und Glanz einer Stille
nah ist unfaßbar was uns rettet noch fern
in unbekannte Meere strömt was hier noch wellt
und fällt am Ufer tropfenweis am Treibholz ganz herab
wie die Söhne der Erde sind so empfangen sie auch
durch das Dunkel bist du ganz geschritten
durch die Nacht die unser Tag
niemand schröckt hier mehr was auf
darum überrascht es nicht
wenn unter Lasten ganz die Freud erstickt
im Schatten des Walds erwacht
das dämmrige Dickicht nicht mehr
unversöhnlich erstarrt sind
die vom Blitz getroffenen Bäume
die Nacht geht hinunter zum Ufer
es säuseln die Weiden nicht mehr
umgewandelt ist die Zeit
hastet schneller nun vorrüber
wo ist das Maß zu tragen das Schwere das Leichte
Glück und Unglück zugleich Lob und auch Klage
du greifst den Erlenkönig an und stützt ihm auch den Rücken
bei Tage wenn es fieberhaft und angekettet das Gedächtnis
nachts kehrt im Traum uralte Verwirrung auf und über
Felsen springt was eben noch im Feuer ganz erlosch