Auf der Kapelle sitzen Raben
Jahrhunderte schon lang
sie sprechen mit den Speiern
durch die der Regen fließt
den Drachen und Dämonen
den Fratzen und Chimären
wenn unter Wolken ganz die Stadt
der Regen über graue Dächer gießt
und Stille breitet sich dann aus
Gekreische und Gekeife in den Gassen dann verhallt
und auf dem Kirchturm drüben
der Hahn er rostet in dem Wind
der Hahn dort auf Sankt Peter
dem einst er auch gekräht
die Höhen sind nun wieder frei
die Galgenberge weg, die Hakenkreuze auch
der alte Friedhof ist nicht mehr
die Steine alle weg, die Gräber zugeschüttet
wir gehen immer über Gräber
und wissen es oft nicht
die Wasserspeier spucken alles aus
den Regen und auch das Vergessen
das in den grauen Schieferdächern haust
doch hier in diesen stillen Mauern der Kapelle
ist unbedeckt der Himmel offen
noch vieles was in dieser Stadt
fühlbar zugegen
es singen hier die Vögel über Gras
und fliegen durch die hohen Fenster
durch kein Portal tritt man
mehr ein noch aus
Natur schuf mit den Zustand der Kapelle
und trug den einen Flügel ganz hinweg
er rutschte in die Tiefe
so sackte ab der alte Eingang
mit der Madonna und dem Kind
direkt inmitten steht man nun
und geht hindurch und auch vorbei
wo früher war man ganz schon mittendrin
und steile Treppen führen nun hinauf
wo früher sanft man von der Seite
durch Gärten, Weinberg hochgeschritten
die Schatten der Kapelle waren
Pilgerfahrten, ferne Muscheln
doch auch das Schwert,
Verfolgung und der Strick
man mordete im Namen dessen
der gemordet wurde doch wußte
niemand dann von wem, das heißt
es wußte jeder dann sofort und schon zuvor
und selbst nach Generationen noch
die Enkel zeugten was sie nie gesehen
so schafft man immer neue Opfer
und sucht den Haß den Feind sich aus
im Namen Christi, Allah oder der Vernunft
des Fortschritts, der Gefahr des Vaterlands
des Lebens ohne Raum, Revolution, Globalisierung
der Freiheit, Toleranz, der Sitten
und wir verteidigen in fernen Ländern
die wir gar nicht kennen
seit jeher Kreuzug stets
das was uns auch dann
kommt abhanden das wozu
doch in den Mauern der Kapelle
die Pfeiler stehen noch
die Pfeile sind hinweg
am Ketzerufer Scheiterhaufen auch
es spannt sich nicht der Bogen mehr des Haßes
die Pfeile sind hinweg
das Dach gleich mit
als Feinde sprengten hier die Burg
oder verwitterte es ganz einfach
als die Konfessionen sich bekriegten
und vieles nicht mehr tauglich war
Bilder und Skulpturen
das vorher heilig war
der Leichnam der gemordet
kam abhanden
der Sinn so der Kapelle auch
es hielten nun die Raben Einzug
die Schlangen, Mäuse, Würmer auch
der Wind pfiff durch die Fenster
der Regen klatschte naß ins Gras
doch da entdeckten dann
die tiefen stillen Augen der Romantik
daß hier was aufgebaut
was mehr war als Progrom und Grabesstätte
in diesen Stein flocht sich ein Schicksal ein
daß aus dem Dunkel der Geschichte
sich hell in Kunst erhob
die Höhe feiner Sandsteinrippen
das Maß, die Proportion, die Zahl
daß hier erschaffen etwas was sonst nicht
gebaut ein Wille ganz aus hohem Streben
der ohn Zuviel und Übermaß und Zier
schlicht einfach diente einem hohen Zweck
der alle Niederungen überragte
und mitten in dem toten Stein
da wachte auf die Seele
und die Romantik fand hier ganz zu sich
und staunte vor dem Werke unbekannter Meister
Gott schenkte die Kapelle neu
und trug da ab die alten Schatten
die nochmal fürchterlicher flammten als zuvor
und jede Quelle nun versiegt
aus der dann Blut nur sprudelt
und Nischen leer
kein Buch mehr drin
kein Kruzifix kein Grab keine Monstranz
und Nischen leer
so wie ein Thoraschrein
das Buch das mußt du selber sein
dein Herz dein Wort
und Nischen leer
so wie ein Thoraschrein
es gibt kein Herz
das außerhalb
was Gott gegeben
auch die Engel der Finsternisse
übersteigen nicht den Glanz
den er der Schöpfung hat gegeben
und leer der Thoraschrein
auch der in jenem alten Haus
wo die Gesetzesrolle überlebte
die alte Synagoge ist verwaist
wir alle immer Pilger sind
egal was wir auch suchen
oder nicht mehr wissen
was wir suchen
was zu suchen
Jerusalem ist in uns
wenn wir finden
und ist doch immer
unser fernstes weitest Ziel
wir sind nur auf dem Weg
der immer Anfang ist
auf halber Höh
wo breit der Fluß
die weite Biegung macht
und öffnet groß das Tal
zum Süden hin
das abwärts dann
in Bergen felseneng gestaffelt
da wacht sie
oberhalb der Stadt
offen ihre Bögen
und grüßt den Strom
den Reisenden von fern
und ihre hohen Fenster
strecken hoch sich in den Himmel
und fallen ins Auge schon von fern
ihr rotes Sandsteinfeuer leuchtet
die Raben hier auf der Kapelle
sind Wächter über dieser Stadt
daß nicht die Wölfe wieder kommen
und fressen Haut und Haar die Seelen auf
auf graue Schieferdächer fällt der Regen
und DER in leeren Nischen scheinbar schweigt
nicht wir, nur ER kann geben
so wie der Strom durch Engen fließt
aus Wunden spendet ER den Segen
und die Kapelle über dieser Stadt
vermag der Denkmalschutz sie auch einzufrieren
ist nun das Haus der Raben