Im Tal der Raben

Angekommen wächst Stille aus den Felsen.
 

Der Schmerz dahin.
 

Er hob sich nicht hinweg.
 

Er war abwesend und doch da.
 

Hier sprach aber niemand mehr.
 

Hier hörte das Gras man wachsen.
 

Das in die Erde hineinwuchs vom Himmel her.
 

Die Wolken, die vorrüberzogen, waren Gespräche, die niemand mehr führt.
 

Leere Wolkenschiffe hafenlos.
 

Nichts ankerte mehr im Himmel.
 

Masten brachen um.
 

Krähen flogen durch weiße Segel.
 

Weiße Segel fingen all das Schweigen.
 

Unterbrochen nur vom Gekrächze der Krähen.
 

Nichts fingen die Netze mehr auf.
 

Die Vogelfänger waren arbeitslos, ebenso die Fallensteller.
 

Die Jagd war vorbei.
 

Kein Schuß fiel in der Stille.
 

Es gab zu jagen nichts mehr.
 

Nicht einmal Schatten.
 

Die Sonne blendete, nachts der Mond.
 

Der Fels kühlte die Füße.
 

Barfuß ging man durch Distel und Dorn.
 

Pfade, keine Wege.
 

Pfade, die ausgetreten nur von einem selbst.
 

Einsame Pfade, in der Irre umher,

auf denen niemand mehr folgte.
 

Nicht einmal der eigene Schatten. 
 

Pfade, die sich niemals mehr kreuzten.
 

So floh man von und vor sich.
 

Es gab keine Ferne, die Ankunft war.
 

Keine Nähe, die je Ausgangspunkt.
 

Man verspürte die Lust, den Bogen zu spannen,

dessen Pfeil man selber war.
 

Doch fehlte jegliches Ziel.
 

Erinnerung war noch in den samtenen Unterseiten

der Blätter blaugeädert.
 

Doch es war windstill, nicht einmal die Weiden zuckten.
 

Genau richtig, um langsam zu lernen,

die Leere auf Händen zu tragen.
 

Wer hier hin kommt, hat alles hinter sich.
 

Und das ist gut so.
 

Die Zählmaschinen aussortiert.
 

Nur hier tasten die Worte noch das,

aus dem sie einst wuchsen.
 

Archaische Frühe, die sich nicht verblendet.
 

Aber auch nie stille steht.
 

Die immer da ist.
 

Abwesend.
 

Zu ihr hin entwickelt sich alles immer wieder auf’s neu.
 

Die Schlangen wissen es und die Eidechsen.
 

Sie häuten sich.
 

Streifen die Hülsen ab, die Häute,

in denen sie doch atmen die Sonne, den Mond.
 

Wörter abstreifen wie man Kleider ablegt,

die nicht für einen gemacht.
 

Nicht verkürzen, verlängern.

 Ablegen.
 

Im Tal der Raben hat man alles abgelegt.
 

Selbst die Vorstellungen darüber.
 

Die Gegensätze pochen nicht mehr.
 

Fessel und Freiheit sind eins.
 

Ankunft und Abwesenheit auch.
 

Du bist fern und nah zugleich.
 

Du bist meine Härte, sagt das Blatt.
 

Und du bist mein Schweben, sagt der Fels.
 

Worte ihr seid meine Finger, Messer nicht mehr.
 

Du bist mein Wort

sagt der taubstumme quarzgeäderte Schiefer.
 

Da lachen die Raben. Brennesselblätter im Schnabel.
 

Denn sie tragen alles auf Flügel,

Schwere und Schwärze der Erde, die Sonne zugleich. krr krr krrr .
 

Durch die Leere der Luft fliegen sie ihr Gekrächze,

erschrecken den Wind,

durchkreuzen die Nacht,

ihr schwarzes zarte Gefieder

berührt die einsame Mondsichel

am fernen Horizont.
 

Flügelschlag der Stille.
 

Im Tal der Raben wart ich auf dich.
 

Komm.
 

Ich bin da.
 

Pfadlos.
 

Ohne Worte.
 

Ein Rabe sitzt auf meiner Schulter.
 

Sieh ihn an.
 

Er hat deine Augen.
 

Sein Gefieder dein Haar.
 

Deine schwarzen Zotteln sind länger geworden,

hängen tiefer dir im Gesicht,

bedecken deine Stirn,

deine Augen stechen durch sie

deinen unwiderstehlichen Blick.


 

Schlag unter deine Flügel mich ganz.
 

  

   

 

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